nd-aktuell.de / 14.02.2019 / Berlin / Seite 11

Immobilienwirtschaft in Mäkellaune

Vorkaufsrechte und Entscheidungen auf Bezirksebene passen Investoren nicht - und die Enteignungsdebatte erinnert sie an DDR-Zeiten

Nicolas Šustr

Die Immobilienwirtschaft ist besorgt wegen der Eingriffe des Landes. Nicht unbedingt über das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung, bei dem 30 Prozent der Flächen bei größeren Wohnungsneubauprojekten im geförderten Segment für 6,50 oder 8 Euro pro Quadratmeter vermietet werden müssen, sagt Karsten Jungk vom Immobilienberatungsunternehmen Wüest Partner am Mittwochmorgen bei einem Pressegespräch. Woran sich die Branche nicht gewöhnt habe, sei die Ausübung von Vorkaufsrechten. »Diese Art der Entwicklung wie an der Karl-Marx-Allee ist Gift für den Berliner Wohnungsmarkt«, erklärt Jungk. Warum dem so sein sollte, erläutert er nicht.

Dass der Senat handeln muss, zeigt der Blick auf die Mieten. Denn sie steigen unaufhörlich. Bei einer Neuvermietung wurden 2018 im Durchschnitt 12,70 Euro kalt pro Quadratmeter verlangt, so eine Auswertung von Wüest Partner. 44 Prozent mehr als vor fünf Jahren. An der Spitze liegt Alt-Mitte, wo 16,80 Euro pro Quadratmeter bei Abschluss eines Mietvertrags fällig werden, in Marzahn sind es 7,88 Euro. Auch im Umland sind die Mieten inzwischen zweistellig - und das nicht nur im traditionell teuren Potsdam, sondern auch in Falkensee, Hennigsdorf, Teltow oder Strausberg.

»Wir sollten keine Debatte haben, die zu allgemeiner Verunsicherung führt«, sagt Carsten Sellschopf vom Projektentwickler Instone Real Estate und meint damit die Ziele des Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co enteignen. »Die Enteignungsdebatte ist nicht nur gefährlich und erinnert an DDR-Zeiten, sie liefert vor allem keine Beiträge für neuen Wohnraum«, erklärt Sellschopf.

Jürgen Leibfried vom Projektentwickler Bauwert nennt die im Koalitionsvertrag unterlegte Entscheidung von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE), den Bezirken in Baufragen in der Regel nicht hineinzuregieren als »sehr idealistischen Ansatz«. Die Projekte würden so auf einer Ebene diskutiert, die damit »vollkommen überfordert« werde. Die Bezirksverordnetenversammlungen bestünden nicht aus Fachleuten. »Menschen, die bereits eine Wohnung haben, entscheiden darüber, ob andere eine Wohnung bekommen«, insinuiert Leibfried mangelndes Engagement. Als ob sonst Wohnungslose darüber entschieden.

Vielleicht liegt sein Groll darin begründet, dass es beim Projekt der Bockbierbrauerei in Kreuzberg gerade nicht vorangeht. Hier hatte das Landesdenkmalamt entschieden, dass 80 Prozent der historischen Keller erhalten werden müssen für die Einrichtung eines Gedenkortes für die Zwangsarbeiter, die im Zweiten Weltkrieg dort eingesetzt wurden. Für die 14 Millionen Euro Mehrkosten, die die komplette Neuplanung mit sich bringt, wollte er in einem ersten Vorschlag 5000 Euro zusätzliche Gebäudefläche oberirdisch errichten dürfen. »Das ist baurechtlich so nicht möglich«, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Er sei jedoch guter Dinge, dass ein gangbarer Weg gefunden werde, so Schmidt. Einen Ausgleich der Mehrkosten hält er für durchaus angemessen. »Ob das über mehr Bauvolumen oder eine direkte Förderung geschehen kann, wird sich zeigen«, sagt der Baustadtrat.

Pepijn Morshuis von TREI Real Estate, die Immobilientochter des einstigen Supermarktbetreibers Tengelmann, ist wesentlich entspannter. Denn die zu bebauenden Grundstücke hat er schon, es sind jene Flächen, auf denen die sogenannten Flachmänner stehen - einstöckige Supermärkte. Immerhin zehn bis 15 Prozent des Neubaubedarfs von rund 200 000 Wohnungen bis 2030 könnten über die bessere Ausnutzung der etwa 330 Flächen aller Betreiber gedeckt werden. »Die Renditen sind zwar relativ niedrig, aber gerade die scheiternde Wohnungsbaupolitik sagt uns, dass der Nachfrageüberhang die nächsten Jahre erhalten bleiben wird«, so Morshuis.

TREI arbeitet konkret an vier Projekten mit zusammengenommen 750 Wohnungen. An der Pappelallee in Prenzlauer Berg wird schon gebaut, fertig werden soll der Komplex 2021. Für das Vorhaben in der Winsstraße gibt es bereits eine Baugenehmigung, auch in Mitte an der Fürstenberger Straße sollen Wohnungen entstehen. Für die Fläche eines abgebrannten Netto-Marktes an der Köpenicker Straße in Kreuzberg läuft das Bebauungsplanverfahren. Deswegen wird es bei diesem Projekt auch eine Einrichtung für Betreutes Wohnen, eine Kita sowie Sozialwohnungen geben.