Ein Haus für 50 Personen gesucht

Seit zwei Wochen sind die Bewohner des ausgebrannten Projekts Rigaer Straße 84 ohne Bleibe

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Ideals don`t burn« - »Ideale brennen nicht« steht auf dem zwischen zwei Bäumen befestigten Transparent an der Frankfurter Allee in Friedrichshain. Darunter, vor der Mittagssonne durch eine Plane geschützt, frühstücken rund 30 Bewohner und Unterstützer des ausgebrannten Hauses Rigaer Straße 84. Die Jugendlichen, viele von ihnen mit Rastalocken und bunten Haaren, haben ihre Lebensmittel in einem Einkaufswagen mitgebracht. Nebenan stehen fünf kleine Zelte. »Wir wollen mit dieser Kundgebung und dem Camping-Asyl auf unsere unverändert schlechte Situation aufmerksam machen«, erzählt Michael Weidinger. Wie seine Mitbewohner sitzt Weidinger seit zwei Wochen auf der Straße - seitdem Ende Mai der Dachstuhl und Teile des vierten Stocks seines Wohnprojekts durch einen Brand verwüstet wurden. Wobei »auf der Straße« ein wenig übertrieben ist, denn viele der Bewohner sind notdürftig bei Bekannten und Freunden untergekommen. »Auf Dauer«, erläutert Weidinger, sei dies jedoch »kein Zustand«. Denn die getrennte Unterbringung hat mit dem Ziel, weiterhin gemeinsam zu leben, nichts zu tun. Deswegen müsse »ein Ersatzobjekt« her, in dem alle der 50 quasi Obdachlosen unterkommen könnten. Doch die Suche nach einem solchen Gebäude gestaltet sich schwierig. Im »Nordkiez« stehen schon lange nicht mehr haufenweise leere Häuser zur Verfügung. Hinzu kommt, dass sich die Hausverwaltung, die das Eckhaus an der Rigaer/Proskauer Straße verwaltet, nicht zuständig fühlt. »Wir rüsten das Haus zwar ein und setzen ein Notdach rauf«, erzählt Gösta Goldstein von der Verwaltung Werz&Werz. Die Entscheidung, wie es weitergeht, habe jedoch eine Eigentümerversammlung zu treffen, die in diesen Tagen zusammentreten soll. »Grundsätzlich«, so der Mitarbeiter der Hausverwaltung, »sollte es allerdings möglich sein, das Haus wiederaufzubauen.« Doch die Gutachter hätten auch eine 10-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen Abriss offengelassen, da noch nicht klar sei, wie verheerend die Schäden sind. In jedem Fall dürfte eine Zeit von minimal zehn bis maximal 24 Monaten vergehen, bis das Haus wieder nach einer Sanierung bewohnbar sei. Den Bewohnern steht es offen, »solange zu warten oder vorher zu kündigen«, sagt Goldstein, dem man anmerkt, dass er über den Verlust der alternativen Mieter nicht besonders traurig wäre. Für die Ex-Besetzer, die alle einen legalen Vertrag besitzen, kommt dies jedoch nicht in Frage. Mehr Unterstützung als von der Verwaltung erhoffen sich die jungen Leute indes vom Bezirksamt und dem Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne). Dieser hatte auch kurz nach dem Feuer Hilfe zugesagt, doch weder eine Anfrage beim Liegenschaftsfonds noch beim Bezirk habe bisher ein Angebot für ein geeignetes Objekt ergeben, erzählt Michael Weidinger. Nun solle ein runder Tisch mit allen Beteiligten eine Lösung herbeiführen. »Ich habe mich bereits bei einem Hausbesitzer in der Rigaer Straße für die Leute eingesetzt«, erklärt hingegen Franz Schulz dem ND. Bereits gestern kam ein erstes Gespräch mit dem vorgeblichen Besitzer der Rigaer Straße 78, in dem Platz für die Wohnungssuchenden wäre, dem Bezirksbürgermeister und den Bewohnern zu Stande. Die Hoffnung von Franz Schulz, schnell »eine Lösung« zu finden, zerschlug sich jedoch, da derzeit die Eigentumsverhältnisse der Rigaer Straße 78 ungeklärt sind. Anwälte sollen nun klären, wer die »Verfügungsgewalt« über das potenzielle Ersatzobjekt hat. Brisante Neuigkeiten hat unterdessen die Polizei zu melden. »Wir wissen inzwischen sicher, dass es sich um Brandstiftung gehandelt hat«, erklärte Polizeisprecher Michael Merkle dieser Zeitung. Die genaue Ursache für das Feuer im Dachstuhl sei allerdings weiterhin unklar, »die Ermittlungen des Landeskriminalamts laufen«, so Merkle. Den Bewohnern bleibt indes nur, mit Konzerten, Kundgebungen und dem Verkauf von kleinen Tüten mit Ascheresten des Hauses Geld für ihre Gemeinschaft zu sammeln - damit »nicht noch ein linkes Projekt aus der Stadt vertrieben wird«, wie sie sagen.
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal