Holzschnitt des Holzschnitts

In der ZDF-Satiresendung »Die Anstalt« wechseln seit fünf Jahren Information und Satire die Positionen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.

In den USA haben es Untersuchungen schon empirisch belegt: Das Publikum satirischer Formate wie »Colbert Report« ist über politische Themen wie Wahlkampffinanzierung besser im Bilde als die Konsumenten klassischer Nachrichtenkanäle. Es ist ein drastischer Sachverhalt, den der Journalist Dietrich Krauß in einem Band zum fünften Geburtstag der ZDF-Satiresendung »Die Anstalt« zitiert. Es stellt dem »harten« Journalismus ja ein übles Zeugnis aus, wenn die »weiche« Satire informativer ist als er.

Dass sich dies da drüben so verhalte, wird im hiesigen Journalismus kaum bestritten. Braucht man ein paar pointierte Sätze zum Zustand nicht nur der populären, sondern auch politischen Kultur in den USA, greift man im Feuilleton- und Featuregewerbe gern auf Leute wie Stephen Colbert - der inzwischen David Lettermans »Late Show« übernommen hat -, auf Trevor Noah von der »Daily Show« oder auf John Oliver von »Last Week Tonight« zurück. Jaja, heißt es dann, die amerikanischen Medien seien zwischen »Fox News« und »MSNBC« dermaßen polarisiert, dass nur noch Narren Wahres sagen könnten.

Behauptet aber jemand, dass diese Genreverkehrung von Information und Unterhaltung auch hierzulande im Gange sei, schaltet der Journalismus auf Abwehr. Das zeigt sich immer wieder am Beispiel der »Anstalt«, die erstmals am 4. Februar 2014 gesendet wurde. Über einen Mangel an Prügeln kann sich das Format, das die »informative Satire« nach Deutschland holte und seine Pointen seit 2014 mit ausführlichen Quellenverweisen belegt, gewiss nicht beklagen. Grotesk überzeichnet sei der Informationsgehalt, populistisch die Aufbereitung, platt und verschwörungsaffin: kaum eine große Zeitung, in der derlei noch nicht gestanden hätte. Die »Frankfurter Rundschau« zog einmal alle Register der Kollegenschelte, um den Jahresrückblick der »Anstalt« auf 2014 als »Ken-Jebsen-Stammtisch« abzuwatschen, als »Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen auf Grundschulniveau, garniert mit reduziertem Gut-böse-Schema à la Querfront«.

Wie selbstbezeichnend diese Tirade ist, war der Autorin des einstigen Flagschiffs kritischen Schreibens wohl gar nicht aufgefallen: Wenn der Journalismus von der Satire in vollem Ernst Differenzierung verlangt, hat er deren Vorstoß ins Informationsfach schon anerkannt - ist doch Überzeichnung das Wesen der Satire. Zudem markierte das Jahr 2014 tatsächlich eine Zäsur im deutschen Medienwesen, die für ein Format wie die »Anstalt« eine Lücke riss: Die Krise in der Ukraine - wo eine korrupte, aber aus einer unbeanstandeten Wahl hervorgegangene Regierung über militante Demonstrationen stürzte - wurde so grobschlächtig in ein offen parteiisches Schwarz-Weiß-Bild von »prorussisch« und »prowestlich« gepresst, dass keineswegs nur Wirrköpfe allabendlich im Palmwipfel saßen und die Glaubwürdigkeit der Massenmedien bis heute leidet.

Die hiesige Medienlandschaft, von wenigen meinungsführenden Printorganen und einem mächtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk beherrscht, ist nicht nur in der Eigentümerstruktur grundlegend von der US-amerikanischen verschieden. Anders als diese ist sie gerade nicht von einer extremen Polarisierung geprägt. Sondern, wie Krauß schreibt, von einer »Verengung und Homogenisierung der veröffentlichten Meinung«, vom »Herdentrieb« eines sich selbst auf die Schulter klopfenden Einheitshauptstadtjournalismus. Indem nun die »Anstalt« - die Krauß als Redakteur mitbestückt - diese Holzschnittartigkeit des Pro-Irgendwas und Anti-Soundso auch einmal angemessen holzschnittartig karikiert, trägt sie zur Differenzierung des Gesamtbildes bei.

Obwohl es nicht immer zuerst um Medienkritik geht, sind vielen Zusehern wohl Folgen wie diejenige in Erinnerung, in der die Geneigtheit des Nachrichtensystems aufs Korn genommen wurde, selbst noch das verselbstständigte Stellvertretergemetzel in Syrien anhand eines naiven Maßstabs von »Pro-« und »Antiwestlichkeit« zu erklären. Und auch die berühmteste Folge war eine medienkritische: Nachdem die »Anstalt« die vielfältigen Affiliationen zwischen führenden Journalisten und einschlägigen politischen Denkeinflussfabriken in den USA grafisch veranschaulicht hatte, wurde die Redaktion durch die Instanzen verklagt. Sie gewann am Ende vor Gericht.

Die Welterzählung des Nachrichtenjournalismus drängt nicht nur in einer literarisierten Drehbuchschreibe à la Claas Relotius ins Unterhaltungsfach, sondern auch in »Anchor-Persönlichkeiten«, die ihrer »Haltung« dann auch entsprechende Stücke mit nonchalanter Parteinahme anmoderieren. Das soll den News das Trockene nehmen, entkleidet sie aber auch des Seriösen. Umgekehrt kochen neuartige Satireformate wie die »Anstalt« und teils auch »heute-show« oder »extra 3« mit den Mitteln der Unterhaltung auf, was dabei an Kontext und Fakten liegen bleibt.

Ist also die Satire auch hierzulande auf dem Weg zum besseren Journalismus? Krauß ist nicht so eitel, sich diesen Schuh anzuziehen. Den Jubiläumsband hat er »die Rache des Mainstreams an sich selbst« betitelt: Es sind ja oft Erkenntnisse nicht nur der Wissenschaft, sondern des Journalismusbetriebs selbst, die man demselben um die Ohren haut. Nur eben solche, die spätabends oder auf Nebenkanälen gesendet beziehungsweise auf den hinteren Seiten versenkt werden - und daher das politische Hauptnarrativ nicht erreichen. Die Satire der »Anstalt«, so Krauß, fungiere »nicht als Alternative, sondern als Verstärker eines bisweilen randständigen kritischen Journalismus«. Man mag hoffen, dass dies noch lange so bleibt.

Dietrich Krauß (Hg.): Die Rache des Mainstreams an sich selbst. 5 Jahre Die Anstalt. Westend-Verlag 2019, 300 S., brosch., 20 €.

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