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Kriegsgedenken

Leo Fischer über die Dresdner Erinnerungskultur und eine Annäherung auf der rechten Flanke

Gerade jährte sich ja wieder die Bombardierung Dresdens, einer der vielen Tage im Jahr, an dem sich die Deutschen erleichtert als Opfer und Betrogene der Geschichte fühlen dürften. Man hat das Gefühl, dass dieses erbärmliche Schauspiel jedes Jahr noch einen Tick würdeloser gerät; eine peinliche, beschämende Jammerei sondergleichen. Da rechnet der eine nach, wie die Alliierten humaner hätten Krieg führen können gegen Leute, die im Osten bis auf den letzten Mann dafür kämpften, dass die KZs weiter in Betrieb bleiben konnten; da fühlt sich der andere bemüßigt, an das Leid der abgebrannten Großmutter zu erinnern, die er aus gutem Grund nie gefragt hat, was sie eigentlich an Leid über andere gebracht hat. Eine irgendwie in den Völkermord geschlitterte Bande armer Seppel, die eben noch offen von Eroberung und Weltherrschaft träumte, entdeckte ihre Liebe zum Frieden genau dann, als sie besiegt war.

In der Nationalpathologie der Dresdendeutschen war die Stadt eine Art Freilichtmuseum, ein Ort schöner Künste und wunderbarer Architektur, die von den ohnehin siegreichen Alliierten aus purer Bösartigkeit angegriffen wurde. Selbst wenn er unausgesprochen bleibt, schwingt eine Prise Geschichtsrevisionismus immer mit: Denn wenn die Alliierten hier unverhältnismäßig grausam waren, dann waren sie es vielleicht an anderer Stelle auch - und war vielleicht nicht der ganze Krieg eine böse List gegen die in Wahrheit gutmütigen Deutschen?

Die Ergebnisse einer Erinnerungspolitik, die auf Deibel komm raus immer zwei Seiten, hüben und drüben, lari und fari aufrufen will, führt dazu, dass in Dresden zum Dresdengedenktag an gar nichts Bestimmtes mehr gedacht, sondern ganz allgemein zu »Versöhnung« aufgerufen wird. Der OB will gar »Versöhnungslücken« schließen, so wie er es mit Finanzierungs-, Park- und Zahnlücken tut. Mit Frieden und Versöhnung glaubt man auf der sicheren Seite zu sein - ein ökumenisches Gedenken, das die gesittete Teilnahme von Nazis und ihren Opfern gleichermaßen gestattet. Frieden dieser Art, das kann man in zahlreichen Leitartikeln nachlesen, hatte man sich schon zu Hitlers Tagen gewünscht - würden sich doch die anderen etwas friedlicher aufführen, müsste man sie gar nicht überfallen! Wenn sie nur versöhnlich wären und die Notwendigkeit ihrer Eroberung endlich einsähen! Nie wieder Krieg bedeutet dann bloß: Nie wieder will man sich erwischen lassen.

Während auf den öffentlichen Veranstaltungen zu dieser speziellen Art deutschen Friedhofsfriedens gemahnt wird, macht die Dresdener CDU ihren Frieden auch mit dem Nachkriegskonsens. Der CDU-Fraktionschef, der den vier Mandatsträgern der AfD schon 2016 bescheinigte, »ehrenwerte Leute« zu sein, stimmt schon auf den neuen Kurs ein - wenn er die Stimmen, die er braucht, um etwa die Kulturszene zu schröpfen, bei eben diesen ehrenwerten Leuten sucht. Unter den AfD-Stadträten ist der Landesvorsitzende der AfD, der zum völkisch-nationalistischen Plattform »Der Flügel« gehört und davon träumt, das »derzeitige Regime« mit Hilfe der »vernünftig denkenden Menschen zum Einsturz bringen«. Sein Stellvertreter wirbt für »freien Waffenbesitz für jeden rechtstreuen Deutschen«, um »Koransprengköpfe« zu »neutralisieren«. Bestimmt wahre Friedensfreunde!

Auf funktionaler Ebene besteht bereits ein Bündnis CDU-AfD, das bei aller gegenseitiger Distanzierung hervorragend funktioniert. Die wechselseitige Abgrenzung ist ein routiniert eingeübtes Spiel, bei dem man sich die rechte Wählerschaft aufteilt - und an Strukturen arbeitet, von denen beide profitieren können. Nicht nur hier wartet man auf eine Gelegenheit, das endlich auch offiziell zu tun. Dresden aber ist nach wie vor ein guter Ort, solche Bomben platzen zu lassen.

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