Papstrede provoziert Kritik

Franziskus setzt Kindesmissbrauch mit heidnischen »Menschenopfern« gleich / Rede empört Opfer

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Vatikanstadt. Papst Franziskus hat den sexuellen Missbrauch von Kindern mit heidnischen »Menschenopfern« gleichgesetzt. Kindesmissbrauch erinnere ihn an die in einigen Kulturen einst weitverbreitete »grausame« religiöse Praxis, Menschen »in heidnischen Ritualen« zu opfern, erklärte das Kirchenoberhaupt am Sonntag zum Abschluss der Missbrauchskonferenz im Vatikan. Oft seien Kinder die Opfer gewesen.

In seiner mit Spannung erwartenden Abschlussrede der viertägigen Konferenz geißelte der Papst das »Übel der Pornografie« und prangerte das weltweite Phänomen des Kindesmissbrauchs an. Die Unmenschlichkeit dieses Phänomens werde in der Kirche »noch schwerwiegender und skandalöser«, weil es »im Gegensatz zu ihrer moralischen Autorität und ihrer ethischen Glaubwürdigkeit« stehe, sagte Franziskus. Ein Priester, der Kinder missbrauche, werde »zu einem Werkzeug Satans«.

Der Papst verteidigte die Kirche gegen Kritik. Die Kirche müsse sich »über alle ideologischen Polemiken und die journalistischen Kalküle erheben, die oftmals die von den Kleinen durchlebten Dramen aus verschiedenen Interessen instrumentalisieren«. Er sprach von einem »Gerechtigkeitswahn, der von den Schuldgefühlen aufgrund der vergangenen Fehler und dem Druck der medialen Welt hervorgerufen wird« und von einer »Selbstrechtfertigung, die die Gründe und die Folgen dieser schwerwiegenden Straftaten nicht aufarbeitet«. Der Papst betonte am Ende, dass die meisten Geistlichen unschuldig seien und dass das Ansehen der gesamten Kirche unter den Skandalen leide.

Franziskus hatte zu dem Treffen die Spitzen der Bischofskonferenzen der Welt geladen, um die Kirche nach jahrzehntelangen Skandalen aus der tiefen Krise zu führen. Bei seiner Auftaktrede hatte er am Donnerstag gewarnt, dass die Welt nicht mehr auf die Verurteilung von Missbrauch warte, sondern auf konkrete Maßnahmen dagegen. Opfer fordern zum Beispiel, dass Vertuscher und Täter konsequent aus dem Klerikerstand entlassen werden oder dass die Machtstruktur und die Männerbünde in der Kirche diskutiert würden.

Hinter diesen hohen Erwartungen blieb die Rede des Papstes zurück. »Anstatt konsequent aus der Opferperspektive die Verantwortung der Kirche zu benennen, (war es) routiniertes und uninspiriertes Abspulen von Selbstverständlichkeiten«, sagte Thomas Schüller, Direktor am Institut für Kanonisches Recht an der Universität Münster. Die Rede sei »ein Fiasko« gewesen.

Matthias Katsch vom deutschen Opferschutzverband Eckiger Tisch twitterte, die Rede sei »der schamlose Versuch, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, ohne sich der Schuld und dem Versagen zu stellen und wirkliche Veränderung anzugehen«. Franziskus fordert seit Beginn seines Pontifikates immer wieder ein Ende von Missbrauch und eine schonungslose Aufarbeitung der Taten. Agenturen/nd

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