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Union rüttelt an Exportregeln

Verbot von Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien steht zur Disposition / Ohnehin unterlaufene Richtlinien sollen weiter aufgeweicht werden

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles eine Frage der Maßstäbe. Seit Deutschland im November letzten Jahres einen Waffenexportstopp für Saudi-Arabien verhängte, verfestigt sich sein Ruf als Sachwalter einer strikt moralisch ausgerichteten Rüstungsexportpolitik. Dabei fiel diese Entscheidung nicht wegen des Koalitionsvertrages, in dem sich die Regierungspartner verpflichteten, »ab sofort keine Ausfuhren an Länder (zu) genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind«. Saudi-Arabien ist nicht nur beteiligt an diesem Krieg, sondern Führungsmacht der Staatengruppe, die in Jemen einen Stellvertreterkrieg gegen Iran auf Kosten der Bevölkerung des Landes austrägt. Anlass für den Waffenexportstopp war jedoch nicht dies und waren auch nicht die in Deutschland geltenden Rüstungsexportrichtlinien, die Exporte in Länder verbieten, die als Krisenregionen oder als Orte gelten, wo massiv Menschenrechte verletzt werden, zu denen Saudi-Arabien zweifelsfrei gezählt werden muss. Grund war vielmehr der Mord an einem Journalisten - offenbar im Auftrag des saudischen Königshauses war Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul umgebracht worden.

Weil die SPD nun diesen Exportstopp am liebsten aufrechterhalten würde, ist die Frist, zu der er auslaufen sollte, zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung in der Koalition geworden. Wie der »Spiegel« am Freitag berichtete, hat sich die Bundesregierung auf eine Verlängerung der am 9. März ablaufenden Frist für den Exportstopp um zwei Wochen verständigt. Auch wenn diese das zunächst nicht bestätigte, räumte Regierungssprecher Steffen Seibert die Verlängerung indirekt ein, als er sagte, man werde im März eine Lösung finden müssen.

Unterschiedliche Maßstäbe im Umgang mit Rüstungsexporten waren auch lange Handicap in den deutsch-französischen Verhandlungen über Prinzipien der bilateralen Rüstungskooperation. Im Januar wurde schließlich eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Das deutsche Exportverbot gefährdet auch Verträge mit Saudi-Arabien, an denen Frankreich - und neben Frankreich beispielsweise auch Großbritannien - beteiligt ist. Beide Länder haben bereits diplomatisch verklausuliert, aber erkennbar verärgert ihren Unmut deutlich gemacht. Denn betroffen sind auch Projekte, zu denen deutsche Firmen nur Zulieferungen leisten. Zuletzt hatte London in einem Brandbrief an Außenminister Heiko Maas, über den der Außenpolitikexperte der SPD im Bundestag Rolf Mützenich im »Vorwärts« berichtete, den deutschen Lieferstopp an Saudi-Arabien kritisiert und die Befürchtung geäußert, dass Großbritannien deshalb seine Lieferverpflichtungen für den Kampfjet »Typhoon« nicht erfüllen könne.

Mützenich spricht in dem Beitrag kritisch von einer deutlich »entspannteren« Rüstungsexportpolitik, die Paris und London im Vergleich mit Deutschland verfolgten. Und er lobt das deutsch-französische Abkommen, weil Frankreich darin erstmals »unsere restriktiven Rüstungsexportrichtlinien« anerkenne und Deutschland de facto ein Vetorecht erhalte. Doch die Union drängt auf eine Aufweichung gerade der Richtlinien, die Mützenich da lobt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wirbt dafür, europäischen Rüstungspartnern bei den Exportregeln entgegenzukommen. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei einem Besuch in Paris gesagt, es müsse Kompromisse geben, die über »den Wortlaut des Koalitionsvertrages hinausgehen«.

Dabei kann man die deutschen Regeln auch weniger selbstgerecht als Mützenich bewerten. Diese haben nicht verhindert, dass Saudi-Arabien im letzten Jahr trotz aller Einschränkungen der zweitbeste Rüstungskunde deutscher Firmen - nach Algerien - war. Von Januar bis Ende September erteilte die Bundesregierung Exportgenehmigungen über Rüstungsgüter im Wert von 416,4 Millionen Euro für das Land der Scheichs.

Nicht zu vergessen, dass politische Beschränkungen von Rüstungsunternehmen erfolgreich umgangen werden. So hat der Rüstungskonzern Rheinmetall Firmen im Ausland gegründet, wo Waffen ungehindert von Exportrichtlinien produziert und geliefert werden. So setzt Saudi-Arabien in Jemen Munition ein, die Rheinmetall auf Sardinien produziert. Und noch einfacher wird es, wenn die saudi-arabische Rüstungsfirma MIC das von Heckler & Koch stammende Sturmgewehr G36 selbst produziert. Eine erteilte Lizenz macht es möglich.

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