nd-aktuell.de / 11.03.2019 / Politik / Seite 6

Maduro spricht von »elektrischem Krieg«

Massiver Stromausfall in fast ganz Venezuela / Demonstrationen für und gegen Regierung am Samstag in Caracas

Tobias Lambert

Ein massiver Blackout hat am Wochenende den politischen Machtkampf in Venezuela überlagert. Donnerstag Nachmittag war fast im gesamten Land der Strom ausgefallen. Am Samstag gingen die Lichter in einigen Regionen und der Hauptstadt Caracas vorübergehend wieder an, bevor die Versorgung erneut zusammenbrach. Am frühen Sonntagmorgen kehrte der Strom dann in vielen Bezirken von Caracas allmählich zurück. Manche Landesteile sind jedoch seit Donnerstag durchgehend ohne Elektrizität.

Nicht nur fielen Internet und Telefon aus. Auch die Metro fuhr nicht, Geschäfte blieben geschlossen und Lebensmittel verdarben. Betroffen war zudem die Stromversorgung von Krankenhäusern, sofern sie nicht über eigene Generatoren verfügen. Unbestätigten Berichten zufolge starben infolge des Blackouts zahlreiche Menschen, die auf lebenserhaltende Maßnahmen oder Dialyse angewiesen waren.

Zwar kommt es in Venezuela häufig zu Stromausfällen. Einen Blackout dieses Ausmaßes hatte es bisher jedoch noch nicht gegeben. Dieser kam nun just zu einem Zeitpunkt, an dem der von der rechten Opposition und der US-Regierung angestrebte regime change ins Stocken geraten ist. Während die Regierung in Caracas von Sabotage spricht, führen Oppositionelle den Stromausfall vor allem auf mangelnde Wartung der Netze, Korruption und fehlende Investitionen zurück. Die genauen Hintergründe sind indes bisher noch ungeklärt.

Informationsminister Jorge Rodríguez machte die US-Regierung verantwortlich. Der Blackout sei durch einen »Cyberangriff« auf das Kontrollsystem des wichtigsten venezolanischen Wasserkraftwerks Guri-Simón Bolívar im südlichen Bundesstaat Bolívar verursacht worden. Guri allein produziert mindestens 70 Prozent des venezolanischen Stroms.

Der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó versuchte umgehend, politisches Kapital aus dem Stromausfall zu schlagen. »Die Rückgewinnung des Elektrizitätssektors und des ganzen Landes gelingt über das Ende der Usurpation«, schrieb er auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter. Erst am vergangenen Montag war Guaidó von einer zehntägigen Lateinamerikareise zurückgekehrt, die er trotz eines gegen ihn verhängten Ausreiseverbotes unternommen hatte. Entgegen den Ankündigungen der Regierung, ihn bei der Wiedereinreise festnehmen zu lassen, befindet er sich weiterhin auf freiem Fuß.

Die für Samstag geplanten Proteste fanden wie angedacht statt, standen aber im Zeichen des Stromausfalls. Bei der oppositionellen Kundgebung im Osten von Caracas kam es zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, die sich allerdings letztlich zurückzogen. Guaidó kündigte dort an, in den kommenden Tagen das Land bereisen zu wollen, um einen großen Marsch aus den Regionen auf Caracas vorzubereiten. Eine mögliche US-Militärintervention schloss er erneut nicht aus. Es lägen »alle Optionen auf dem Tisch«, wiederholte er die Worte von US-Präsident Donald Trump.

Im Westen von Caracas versammelten sich Regierungsanhänger derweil zu einer »antiimperialistischen Demonstration«. Offizieller Anlass war die Zurückweisung der US-Regierungspolitik gegenüber Venezuela. Auf den Tag genau vor vier Jahren hatte der damalige US-Präsident Barack Obama Venezuela per Dekret zur »außergewöhnlichen Bedrohung der nationalen Sicherheit und Außenpolitik der Vereinigten Staaten« erklärt und damit die Tür für Sanktionen geöffnet.

Knapp 48 Stunden nach Beginn des Stromausfalls bekräftigte Präsident Nicolás Maduro auf der chavistischen Kundgebung, dass es sich um Sabotage gehandelt haben müsse. Die USA bezichtigte er, einen »elektrischen Krieg« gegen Venezuela zu führen, analog zu dem schon seit Jahren beklagten Wirtschaftskrieg.

Bei seiner Energieversorgung setzt Venezuela überwiegend auf Wasserkraft. Anhaltende Dürreperioden führten zuletzt in den Jahren 2003, 2010 und 2017 beinahe zum Kollaps des Landes. Die linke Regierung unter Hugo Chávez hatte privatisierte Energieunternehmen zurückgekauft und im Jahr 2007 unter dem Dach des neu gegründeten staatlichen Elektrizitätsunternehmens Corpoelec gebündelt. Die angekündigte Ausweitung der Stromerzeugung und Modernisierung der Infrastruktur wurde jedoch nicht ausreichend umgesetzt. Vereinzelt sind neue Wärmekraftwerke entstanden, in denen Erdöl verbrannt wird. Erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne nutzt Venezuela bisher nur marginal.