nd-aktuell.de / 14.03.2019 / Politik

Hambi-Besetzer fällen den Wald?

Die Polizei Aachen war im Hambacher Forst unterwegs und hat herausgefunden, dass Waldbesetzer Bäume fällen. Ein Skandal?

Sebastian Weiermann

Gleich sechs Fotos hat die Polizei Aachen am Mittwochabend an eine Pressemitteilung als Angang gehängt. Vertreter der Polizei und von anderen Behörden waren zu einer Begehung im Hambacher Wald. Fast vier Stunden spazierten die Behördenvertreter, begleitet von gepanzerten Bereitschaftspolizisten durch den Wald. Dabei machten sie eine Entdeckung:

»Im Rahmen der Waldbegehung wurde festgestellt, dass auch weiterhin Bauten in den Bäumen und im Wald errichtet werden. An diesen Holzkonstruktionen wurden an diversen Stellen offensichtlich mit frischen Schnittkanten versehene Holzstämme verbaut. Im Wald stellten die Behördenvertreter an verschiedenen Stellen insgesamt etwa 50 Baumstümpfe frisch geschlagener Bäume fest. Eine Überprüfung ergab, dass es sich nicht um das Ergebnis von Fällarbeiten durch oder im Auftrag der RWE Power AG[1] handelt. Die RWE Power AG wird Strafanzeige stellen.«

Auf den Bildern zur Mitteilung der Polizei sind zahlreiche Baumstümpfe und in Baumhäusern verarbeitete Stämme zu sehen. Die Botschaft ist eindeutig: Seht her, die angeblichen Umweltschützer roden hier den Wald. Nicht RWE holzt den Hambacher Forst ab, sondern die Waldbesetzer! Nach einem Artikel in der »Bild« kocht bei Braunkohlefans und Klimawandelleugner die Stimmung hoch. Die Bilder der Polizei sind für sie der letzte Beweis, dass es den Besetzern im Hambacher Forst gar nicht um die Umwelt geht. Auf der anderen Seite ergeht sich mancher Fan der Waldbesetzer in Verschwörungstheorien. RWE oder die Polizei hätten die Bäume heimlich gefällt, um es den Besetzern in die Schuhe zu schieben. Andere glauben sogar, die Bilder stammen gar nicht aus dem Hambacher Wald.

RWE lässt den Wald verkommen

Die Erklärung der Aktivisten[2] ist einfacher. Dem »nd« teilt eine Besetzerin mit: »Das sind tote Fichten aus von Borkenkäfer befallenen Monokulturen, die in dem Wald angelegt wurden, um Forstwirtschaft zu betreiben«. RWE würde nichts gegen Borkenkäfer tun. »Wir fällen nicht unseren Wald. Der Borkenkäfer schadet diesen Monokulturen. Die paar Stämme werden für den Widerstand benötigt und jeder vorher betrachtet und abgewägt, ob es hier nötig ist«, erklärt sie. Fichtenmonokulturen seien bereits durch Nichtstun kaputtgegangen. Ein Teil davon nennen die Besetzer*innen Zombiewald, weil nur tote Bäume dort stehen, bzw. regelmäßig einfach umkippen und ineinander hängenbleiben. Hier könnte ein Aufforsten mit Bäumen des Waldes Verbesserung schaffen.

Wer sich die Bilder der Polizei nun noch einmal anschaut, wird feststellen, dass die gefällten Bäume wirklich zwischen eng gepflanzten Fichten standen und nicht im alten Wald aus Hainbuchen und Stieleichen. Aus ökologischer Sicht dürfte wenig gegen die Fällungen durch die Waldbesetzer sprechen. Die mediale Debatte über den Hambacher Forst dürften die Baumstümpfe aber in den kommenden Monaten begleiten. Den Besetzern abzusprechen, dass es ihnen um den Schutz des Waldes geht, gehört schon länger zur Strategie des Landes Nordrhein-Westfalen und des Energiekonzerns RWE. Die Polizei Aachen erklärt zwar, dass derzeit keine Räumungen anstehen, Begehungen mit den Vertretern anderer Behörden fanden in der Vergangenheit aber regelmäßig vor Räumungen statt. Beim nächsten Mal könnte das Land versucht sein, nicht nur mit dem Brandschutz, sondern auch mit dem Baumschutz zu argumentieren.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1114239.hambacher-forst-rwe-wollte-keinen-kompromiss.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1114097.protest-gegen-kohleabbau-die-grube-darf-nicht-wachsen.html