Kandidieren unterm Regenbogen

Thailands LGBTQI-Gemeinde tritt politischer den je in Erscheinung. Viele kandidieren für Parlamentsmandate und sogar für das Premiersamt

  • Thomas Berger, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Alltag dürfte es die LGBTQI-Community durchaus leichter haben als in anderen Staaten der südostasiatischen Nachbarschaft. Thailand geht beispielsweise verhältnismäßig locker mit Transgender-Konzepten um. Dennoch war bislang gerade das Thema Ehe für alle noch nicht auf wirklich breiter gesellschaftlicher Front diskutiert worden. Noch immer ist, gerade abseits des sich kosmopolitisch gebenden Bangkok und einiger anderer urbaner Zentren, das traditionelle Denken in zwei Geschlechtern, verbunden mit klar fixierten Rollenzuweisungen, die Norm.

Es gibt viele, die das ändern wollen. Und während die Aktivist*innen bis dato selten die große Bühne für ihre Anliegen geboten bekamen, eher in kleineren Netzwerken Aufklärungs- und Lobbyarbeit betrieben, ist die Parlamentswahl nun eine besondere Chance. Diverse Kandidat*innen aus der Community wollen den Sprung ins Parlament schaffen. Und obwohl es höchst unwahrscheinlich ist, könnte es theoretisch sogar den ersten Trans-Regierungschef in dem Königreich geben. »Ich weiß, dass meine Kandidatur nur eine symbolische Geste ist, weiß, dass ich jetzt noch nicht Premierministerin werde«, gibt sich Pauline Ngarmpring zwar keinen Illusionen hin. Trotzdem will sie den Schritt, als Spitzenkandidatin für die auf Menschenrechtsthemen setzende linksliberale Machachon Partei zu kandidieren, als zukunftsweisend verstanden wissen.

Sie selbst habe 40 Jahre gebraucht, um endgültig zu akzeptieren, dass sie als Frau im falschen Körper geboren wurde. Ihre biologische Geschlechtsumwandlung hat sie in den USA vornehmen lassen, wo sie zeitweise lebte. Dass die Transgender-Frau, die als Zeitungsreporter anfing und später in die Werbe- und Immobilienbranche wechselte, bereits als Mann eine solide Karriere hatte, habe ihr nach der Anpassung geholfen, räumt sie offen ein. Dass Trans-Personen ihr Geschlecht offiziell in Ausweisdokumenten nach ihren Wünschen ändern lassen können, gehört zu den Forderungen, die sie und ihre Mitstreiter*innen bei Machachon durchsetzen wollen, sollte es zu ausreichend parlamentarischer Unterstützung reichen. Auch ein Gesetz zur Dekriminalisierung von Sexarbeit solle dann auf den Weg gebracht werden. Statt in einer rechtlichen Grauzone zu agieren, soll das den Prostituierten, unter denen gerade in Thailand auch zahlreiche Trans-Personen sind, insbesondere mehr soziale Sicherheit geben. Pauline Ngarmping, nicht ohne Grund Ende 2018 von Machachon angesprochen, kann bereits von einer gewissen Popularität zehren, wenn sie als eine der Ikonen der Bewegung nun nach noch mehr strebt.

Einer der Kandidat*innen im Zeichen des Regenbogens ist auch Tannia Tanwarin Sukkhapisit, der für einen Parlamentssitz für die neue, als Vertreterin der jungen Generation daherkommende Zukunft Vorwärts Partei antretet. Einst war der Filmemacher Präsident der thailändischen Regisseursvereinigung, ist damit ebenfalls auf alles andere als unbekannt. Sieben Jahre kämpfe Tanwarin mit den Zensurbehörden um die Zulassung eines Films, den er zum großen Thema sexuelle Minderheiten gemacht hatte und dessen Inhalt offiziell als zum Teil »anstößig« eingestuft worden war. Gerade diese Erfahrung hatte ihn politisiert, wie er gegenüber Reportern sagte - jetzt will er Thailands erster Kathoey-Abgeordneter werden. Hinter dieser Bezeichnung vereinen sich im Land verschiedene Transgender-Identitäten irgendwo auf dem Weg des Wandels vom Mann zur Frau. Tanwarin liegt neben anderen Punkten im Kampf um völlige Gleichberechtigung vor allem das Familienrecht am Herzen - also eine Änderung jenes Artikels, der die Ehe nur als Bündnis zwischen Mann und Frau definiert.

Eine Drag-Queen tritt mit Assadayut Khunviseadpong für die kleine Thai Local Power Party an, zu deren Vorstand er gehört. Den Einsatz für gleiche Rechte von LGBT-Menschen im tagtäglichen Arbeitsleben, insbesondere bei der Jobvergabe, benannte er gegenüber der »Bangkok Post« als einen Schwerpunkt. »Die Kriterien sollten rein auf Eignung, nicht auf Geschlecht beruhen«, verwies er zum Beispiel auf die Schwierigkeiten von Kathoeys, eine Anstellung als Lehrer*in zu finden. »Egal ob wir letztlich gewählt werden - jede für einen LGBT-Kandidaten abgegebene Stimme zählt, ist der Beweis, dass uns die Gesellschaft akzeptiert«, betonte an gleicher Stelle Phakwilai Sahunalu, Graswurzelaktivist aus dem besonders armen Nordosten, wo er als Kandidat viele Themen beackert, von Ehe für alle bis zu Umweltfragen.

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