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Gefesselt, gefoltert, ermordet

In Brasilien wurde erneut eine linke Aktivistin ermordet. Unter Bolsonaro nimmt die Gewalt gegen Umweltschützer*innen zu

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 3 Min.

Wieder erschüttert ein vermutlich politisch motivierter Mord Brasilien: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde die Aktivistin Dilma Ferreira da Silva im nördlichen Bundesstaat Pará brutal ermordet. Auch Silvas Ehemann und ein Freund der Familie kamen bei dem Angriff in der Amazonasregion ums Leben. Laut Presseberichten sollen die bislang unbekannten Täter ihre Opfer gefesselt und gefoltert haben, bevor sie ihnen die Kehlen aufschlitzten.

Silva war eine der Führungsfiguren der Bewegung der Betroffenen von Staudämmen (MAB) im Bundesstaat Pará. Bereits zur Zeit der Militärdiktatur entstanden in ganz Brasilien Staudämme. Die Folge: Zehntausende Menschen wurden vertrieben, Entschädigungszahlungen blieben meist aus.

Auch Silva und 30.000 Familien mussten Mitte der 1980er Jahre für den Bau des Staudamms Tucuruí ihr Land verlassen. Vor fünf Jahren besetzte die 45-Jährige zusammen mit ihren Mitstreiter*innen das Land eines Großgrundbesitzers rund 70 Kilometer von der Kleinstadt Tucuruí entfernt. Seitdem lebte sie in einer von der Agrarreformbehörde INCRA regularisierten Siedlung. Die Konflikte gingen jedoch weiter.

Die Polizei ermittelt nun wegen dreifachen Mordes, bislang wurde noch niemand verhaftet. Aktivist*innen der Bewegung vermuten ein politisches Motiv: »Wir glauben, dass die Verbrecher mit diesem Mord eine Nachricht an die Aktivisten senden wollen, die in der Region aktiv sind«, sagte Iury Cahrles Bezerra von der Nationalkoordination der MAB der Deutschen Welle in Brasilien.

Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Staudammprojekten zu Gewalttaten gegen Aktivist*innen. »Hinter dem Bau solcher Mega-Projekte stehen enorme wirtschaftliche Interessen, und diese stehen oft in Verbindung mit kriminellen Banden, die diese Repression organisieren«, sagt der Staudammexperte Thilo Papacek und Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation »Gegenströmung« dem »nd«. »Staudämme gelten als Prestigeprojekte, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes quasi in Beton gegossen repräsentieren sollen. Gerade in Brasilien gelten alle, die sich gegen Wasserkraftwerke wenden, als Fortschrittsfeinde – insbesondere für die Vertreter*innen der Regierung Bolsonaro.«

Brasilien ist seit vielen Jahren das Land mit der höchsten Mordrate an Umweltschützer*innen. Mit dem Amtsantritt von Präsident Jair Bolsonaro haben die Angriffe auf Aktivist*innen und Indigene stark zugenommen. Ende Februar töteten Unbekannte im Bundesstaat Manaus das Oberhaupt einer indigenen Gemeinde vor den Augen seiner Familie. Fast täglich drängen Holzfäller*innen und sogenannte Landräuber*innen auf indigenes Land vor. Indigene Organisationen warnen bereits vor einem »zweiten Genozid«.

Im Wahlkampf hatte Bolsonaro indigenen Gemeinden und Umweltschützer*innen gedroht und sie beschimpft. Daraufhin erhielt der Rechtsradikale großzügige Unterstützung von Großgrundbesitzer*innen und der mächtigen Agrarlobby. Als eine der ersten Maßnahmen nach seinem Amtsantritt Ende Januar entzog Bolsonaro die Ausweisung von indigenen Territorien der Indigenen-Institution FUNAI und unterstellte sie dem Agrarministerium, wo rechte Agrarlobbyist*innen den Ton angeben.

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Doch nicht nur Bolsonaro, sondern auch seine Mitarbeiter*innen lassen kaum Zweifel an ihrer Agenda: Der Sonderbeauftragte für Landfragen, Luiz Antônio Nabhan Garcia, stand 2005 mit ländlichen Paramilitärs in Verbindung, die mit massiver Gewalt gegen Aktivist*innen auf dem Land vorgingen. Unter Bolsonaro ist er zuständig für die Vergabe von Land an Landlose. Umweltminister Ricardo Salles hatte im Wahlkampf gefordert, Schusswaffen gegen die Landlosenbewegung MST und andere Linke einzusetzen.

Wie im jüngsten Mordfall stehen insbesondere Aktivist*innen von sozialen Bewegungen im Fokus der rechtsradikalen Regierung. So hatte Bolsonaro der MST den Kampf angesagt und versprochen, die Bewegung als terroristische Vereinigung einstufen zu lassen. »Die Entwicklung ist besorgniserregend. Seitdem Wahlkampf von Bolsonaro erleben wir immer mehr eine Kultur des Hasses in Brasilien«, sagt Elizabeth Conceição, MST-Aktivistin im Bundesstaat Goiás, dem »nd«. »Wir wurden von der Regierung zum Feind erklärt und sind deshalb nun immer stärkeren Angriffen ausgesetzt.«

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