EU-Parlament beschließt Urheberrechtsreform

Mit 348 zu 274 Stimmen hat das EU-Parlament der Vorlage zugestimmt / Antrag auf Änderungen scheitert an fünf Gegenstimmen

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Straßburg. Mit 348 zu 274 Stimmen hat das EU-Parlament die geplante Urheberrechtsreform angenommen. Laut Informationen der Europaparlamentarierin Julia Reda wurde der Antrag auf Änderungen mittels Anhängen - etwa zum umstrittenen Artikel 13 - mit einer Mehrheit von nur 5 Stimmen abgelehnt. Das Ergebnis sei ein »schwarzer Tag für die Freiheit im Internet«, erklärte Reda auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

»Härtester Lobbyismus von Springer & Co. haben dazu geführt, dass wir jetzt mit einer Richtlinie konfrontiert sind, die die Meinungsfreiheit bedroht, die Medienpluralität einschränkt und den meisten Kreativen keinen Cent mehr bringen wird«, so reagierte LINKE-Europaparlamentarierin Martina Michels am Dienstagmittag auf das Abstimmungsergebnis.

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter reagierten viele Nutzer mit Kritik und Ablehnung auf die Parlamentsentscheidung. Kurz nach der Abstimmung trendeten die Hashtags #NieMehrSPD und #NieMehrCDU sowie bezogen auf die Europawahl: #GehtWählen. Auch der prominente Whistleblower Edward Snowden schaltete sich am Dienstagmittag in die Debatte ein. Da die CDU gegen die Freiheit im Internet gestimmt habe, müsse nun das Internet für »nie mehr CDU« stimmen.

Aus Protest gegen die Zustimmung des EU-Parlaments zur Urheberrechtsreform haben Gegner zu spontanen Demonstrationen aufgerufen. Wie die Kampagne »Save the Internet« am Dienstag auf Twitter mitteilte, soll es am Nachmittag und Abend unter anderem in Köln, Frankfurt, Leipzig und Hamburg Kundgebungen geben.

Kurz vor der Abstimmung über die Reform des Urheberrechts hatten sich Gegner und Befürworter des Vorhabens im Europaparlament am Dienstagvormittag noch heftige Wortgefechte geliefert. An die fünf Millionen Bürger hätten eine Petition gegen die geplanten Uploadfilter unterzeichnet, sagte Reda von der Piratenpartei, eine Worführerin der Reform-Gegner. Mehr als 200.000 Menschen hätten am Wochenende gegen diese Pläne demonstriert. Doch jede Kritik sei ignoriert worden - die EU-Kommission habe die Demonstranten vielmehr als »Mob« bezeichnet.

Reda verwies auch auf einen Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) über einen möglichen Tauschhandel zwischen Deutschland und Frankreich. Demnach soll Berlin die von Paris gewünschte Reform des Urheberrechts unterstützt haben. Im Gegenzug soll Frankreich zugesagt haben, Deutschland beim Streit über die Nordstream-2-Gaspipeline zu unterstützen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sei gegen die Uploadfilter, betonte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Sie habe sich aber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beugen müssen, die »einen Deal mit Frankreich geschlossen hat«. Bei der Debatte gehe es längst nicht mehr um das Urheberrecht. Es gehe vielmehr um den Umgang mit Demokratie. Die EU-Kommission habe die Teilnehmer an den Demonstrationen verunglimpft. Zudem sei das Gerücht gestreut worden, dass Demonstranten von den Internet-Giganten gezahlt wurden.

Der Berichterstatter des Parlaments, Axel Voss (CSU) wies die Kritik an der geplanten Reform zurück. Sie betreffe nur große Plattformen, die »viel Geld« verdienten. Ziel der Reform sei es, eine Balance zwischen den Interessen der Kreativen und der Meinungsfreiheit zu schaffen. Es werde keine »Zensur« geben.

Es gehe darum, Internet-Riesen wie Google, Facebook oder YouTube zur Verantwortung zu ziehen, sagte der französische Liberale Jean-Marie Cavada. Die wirtschaftliche Lage der Presse sei katastrophal. Mit der Presse sei »ein Teil der Demokratie in Gefahr«. Die geplante Reform sei »die einzige Chance«, die Zukunft von Kreativen zu schützen.

Doch genau das ist nicht der Fall kritisiert LINKE-Europaparlamentarierin Michels. Die Artikel, die Kreativen eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Verwertern gebracht hätten, seien in den Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und europäischem Rat abgeschwächt worden. »Plattformregulierung sieht anders aus: Digitalsteuer, ethische Algorithmen, strenges Kartellrecht«, so Michels.

Das Europaparlament ist in der Frage der Urheberrechtsreform zerstritten - vor allem Sozialdemokraten, Linke und Grüne lehnen die automatischen Filter ab, Konservative, Liberale und Rechtsradikale unterstützen sie. Im Parlament wurde bis zuletzt mit einem knappen Abstimmungsergebnis gerechnet.

Der Parteikonvent der SPD hatte am Wochenende beschlossen, sich für eine Streichung von Artikel 13 einzusetzen. Wie gespalten die europäischen Sozialdemokraten sind zeigt auch dieses Beispiel: Zwei schwedische Sozialdemokraten kündigten dagegen am Montag an, für den Entwurf der Urheberrechtsreform stimmen zu wollen. Eine andere hatte erklärt, mit »Nein« stimmen zu wollen.

Die Reform zielt darauf ab, das Urheberrecht an das Internet-Zeitalter anzupassen. Dazu sollen Konzerne wie Google, YouTube und Facebook verpflichtet werden, Inhalte zu entfernen, für die von den Urhebern keine Lizenz erteilt wurde. Kritiker befürchten, dass Kontrollen dann nur über breit angelegte Uploadfilter möglich sind. Sie warnen vor Zensur und einer Gefahr für das »freie Internet«. Die Abstimmung ist gegen 13 Uhr geplant. Im Europaparlament wird mit einem sehr knappen Ausgang gerechnet. AFP/nd

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