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Kann man Sicherheit kaufen?

Was Hooligans, der Hambacher Forst und Kosten für Polizeieinsätze gemeinsam haben, weiß Christoph Ruf

Es gibt ein paar Dinge, auf die kann man sich im Leben verlassen. Ein Glas, das von der Tischkante herunterrutscht, zerschellt am Boden. Schwerkraft. Und der FC Bayern wird Deutscher Meister. Fußball. Fast war man geneigt zu glauben, dass eines der beiden Naturgesetze im kommenden Sommer fallen könnte, neun Punkte Vorsprung hatte Borussia Dortmund zwischenzeitlich. Doch dann holten die Bayern auf. Und der Vorsprung schmolz. Woche für Woche, Spiel für Spiel.

Viele Fußballfreunde waren es nicht, die bis zum vergangenen Wochenende mit etwas anderem gerechnet hätten als mit dem Amen in der Kirche. Bayern wird Meister, und Ende Mai gibt es eine Feier auf dem Marienplatz, die so ausgelassen ausfällt wie immer. Also wie Tante Trudis 80. bei Kaffee und Kuchen. Aber jetzt ist wieder alles offen. Dank Freiburg, das sich am Sonnabend gegen die Bayern verdientermaßen einen Punkt erkämpft und erspielt hat. Und damit Dortmund aber so was von in die Karten spielte, dass die mit einem in der Nachspielzeit herbeigeduselten 2:0 gegen Wolfsburg plötzlich wieder Favorit im Meisterrennen sind.

Das Freiburger Heimspiel gegen die Bayern war allerdings auch aus einem anderen Grund ein freudiges Ereignis. Wenn es im Rheingraben mehr als 20 Grad Celsius hat, löst das selbst bei den verkrampftesten Gestalten zuweilen Positives aus. Nach dem Spiel sah man Münchner und Freiburger Fans einträchtig in Biergärten sitzen und fachsimpeln. Die Polizeieinheiten, die schon nachmittags nichts zu tun gehabt hatten und in angemessen niedriger Personalzahl vor Ort waren, waren zu diesem Zeitpunkt längst im wohlverdienten Feierabend. Alles in allem also ein Fußballnachmittag, wie er sein sollte.

Ginge es nach den Wunschvorstellungen der meisten Deutschen, müssten jetzt der SC Freiburg und der FC Bayern die Kosten für den Polizeieinsatz tragen. Die Vereine sind hingegen der Meinung, dass die Polizeikosten auch weiter zu 100 Prozent vom Steuerzahler übernommen werden müssen. Zwischen diesen beiden Extrempositionen hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden, und es hat ein vergleichsweise salomonisches Urteil gesprochen.

Es formuliert einerseits deutlich, dass Fußballvereine, die ja de facto nichts anderes sind als Wirtschaftsunternehmen, nicht so billig davonkommen wie bisher, wenn es darum geht, ihre zum Zwecke der Gewinnmaximierung ausgetragenen Spiele auf Kosten der Allgemeinheit absichern zu lassen. Wenn die reichen Profiklubs also gerade herumheulen, was für eine Zumutung es sei, dass ihnen mehr Geld für Sicherheit abverlangt werden soll, muss man das als das einordnen, was es ist: bestens orchestrierter Lobbyismus mit Schützenhilfe von der Seite der Sportpresse, die schon immer fand, dass es zwei Dinge gibt, die außerhalb jeder Rechtsordnung stehen. Fußball. Und der eigene Dünkel.

Doch selbst wenn klar ist, dass es nur recht und billig ist, dass der Fußball mehr von diesen Kosten tragen muss, liegt der Teufel im Detail. Wenn - was durch das Urteil nicht ausgeschlossen ist - konkrete Polizeieinsätze 1:1 beglichen werden sollen, ist das ein Problem. Sicherheit ist aus gutem Grund eine hoheitliche Aufgabe; wenn sie privatisiert, also zur Ware wird, ist die Büchse der Pandora noch weiter geöffnet. Was nicht zum Vorteil sozial schwacher Menschen und Stadtteile sein dürfte.

Im Fußball gibt es allerdings auch ein konkretes Problem: Was, wenn mal wieder ein Innenminister meint, ein völlig harmloses Spiel mit mehr mehreren Hundertschaften absichern lassen zu müssen, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren? Müssten dann die Vereine den Wahlkampf finanzieren, indem sie Hunderttausende Euro für Tausende Polizisten bezahlen, von denen 99,9 Prozent nichts zu tun haben? Eine gute Idee wäre vielleicht die folgende: Die reichen Vereine der ersten Liga zahlen in signifikanter Höhe in einen Fond, der dann zielgerichtet für Sicherheit ausgegeben wird und nicht in den allgemeinen Haushalten verschwindet. Die konkreten Polizeieinsätze aber zahlt weiter der Steuerzahler.

Ansonsten dauert es nicht lange, bis der erste CSU-Politiker auf das Naheliegende kommt: Wenn Werder dafür zahlen muss, dass sich ein paar Hooligans daneben benehmen, ist es nur logisch, einer Umweltschutzinitiative die Räumung eines besetzten Waldes in Rechnung zu stellen, wenn sie zu Protesten gegen dessen Abholzung aufgerufen hat.

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