Senior im Scharmützel

Seit 40 Jahren gegen Abzocke in Hamburg: Wilfried Lehmpfuhl.

  • Volker Stahl
  • Lesedauer: 2 Min.

Er ist längst in Rente, aber er macht weiter. Seit fast 40 Jahren ist Wilfried Lehmpfuhl das »Kampfschwein« beim Mieterverein zu Hamburg, mit 70 000 Mitgliedern die größte und älteste Mieterorganisation der Stadt. Zurzeit arbeitet der 68-Jährige, den alle nur »Willi« nennen, noch zwei Tage pro Woche für die Organisation.

Lehmpfuhl hat nicht nur rund 100 000 Hilfesuchende rechtlich beraten, sondern als mutiger Anwalt von Mietern auch den Kampf gegen Abzocker auf dem Wohnungsmarkt und Spekulanten in der Öffentlichkeit geführt. Mitte der 1990er Jahre genoss Lehmpfuhl im Widerstand gegen die rabiaten Entmietungsmethoden von Firmen, die der Scientology-Organisation nahestanden, mediale Dauerpräsenz. Nicht Lehmpfuhls erstes Scharmützel in vorderster Reihe: Ende der 1980er Jahre waren falsche Heizkosten- und Fernwärmeabrechnungen ein großer Aufreger. In der Großsiedlung Mümmelmannsberg hatten Mieter von Außenwohnungen für die anderen mitbezahlt. Nach Protesten des Mietervereins wurde 1989 die Hamburger Heizkostenverordnung geändert - Lehmpfuhls größter Erfolg.

Aktuell kämpft der agile Senior, der zu Terminen gerne mit seiner knallroten Ducati braust, gegen den Immobilienkonzern Vonovia, der im Eisenbahnerviertel in Hamburg-Eidelstedt kräftig an der Mietpreisschraube dreht, aber dringend notwendige Reparaturen nur schleppend ausführt. Stets half er Mietern auch im Verborgenen. Dabei gilt sein Engagement vor allem Gruppen, die Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu bekommen oder zu halten. Auslöser für dieses Engagement war ein Obdachloser, der in seiner Not die Kirchengemeinde Lehmpfuhls kontaktiert hatte. Der schaffte es, ihm eine Wohnung zu vermitteln.

»Willi hat vielen Ärmsten der Armen helfen können, wo andere nicht mehr weiter wussten«, sagt der Mietervereins-Vorsitzende Siegmund Chychla. Zuletzt hat Lehmpfuhl seinen Chef sogar davon überzeugen können, dass der manchmal etwas betulich wirkende Mieterverein am nächsten »Mietenmove« teilnehmen wird. Der startet am 4. Mai auf dem Hamburger Rathausmarkt unter dem Motto »Miethaie zu Fischstäbchen«. Dass der Mieterverein den Demo-Aufruf als einer von bisher 62 Unterstützern neben dem Centro Sociale, der Gängeviertel-Ini, dem Dachverband Autonomer Wohnprojekte, der Interventionisten Linken und der Bauwagengruppe Zomia unterzeichnet hat, ist Willis jüngster Coup.

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