Der Fiskus und die Algorithmen

Französische Umsatzsteuer für Digitalkonzerne nimmt weitere Hürde - trotz Kritik der USA

Das Unterhaus des französischen Parlamentes hat in erster Lesung die geplante Digitalsteuer für Internetkonzerne gebilligt. Die Abgeordneten der Nationalversammlung votierten am Montagabend in Paris erwartungsgemäß mit deutlicher Mehrheit für den Regierungsentwurf.

Die neue Steuer wird in Frankreich »taxe GAFA« genannt. Das Akronym weist daraufhin, dass die Abgabe vor allem auf die großen US-Internetkonzerne Google, Amazon, Facebook und Apple abzielt. Es handelt sich dabei um eine dreiprozentige Steuer auf die in Frankreich erzielten Umsätze. Sie soll rückwirkend ab 1. Januar greifen, wenn das Gesetz das Parlament endgültig passiert hat. Geplant ist eine Abgabe für Konzerne, die mit ihrem Digitalgeschäft mehr als 25 Millionen Euro Umsatz in Frankreich machen und über 750 Millionen Euro weltweit. Die Regierung erwartet allein für dieses Jahr Einnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro; ab kommendem Jahr sollen es 650 Millionen sein.

Präsident Emmanuel Macron hatte im Dezember auf dem Höhepunkt der Gelbwestenproteste gegen die Steuerbelastung einfacher Bürger einen Alleingang Frankreichs bei der Digitalsteuer angekündigt. Zuvor hatte die EU-Kommission im März 2018 einen Richtlinienentwurf für eine EU-weite dreiprozentige Umsatzsteuer für Internetkonzerne vorgelegt, wurde im Ministerrat aber ausgebremst. Es ist eines von mehreren Initiativen, mit denen Brüssel grenzüberschreitend aktive Unternehmen, die alle möglichen Schlupflöcher zur Steuerminderung nutzen, zu höheren Zahlungen bringen will. Die Digitalwirtschaft treibt es besonders dreist: Sie führt im Schnitt nur 9,5 Prozent ihres Gewinns als Körperschaftsteuer ab, im Durchschnitt aller Unternehmen sind es 23 Prozent.

Dank des Internets müssen die Digitalkonzerne keine physische Präsenz mehr in Ländern haben, wo sie ihr Geschäft betreiben. Sie suchen sich für ihre Europazentrale den Standort mit der niedrigsten Steuer aus; zumeist ist es Irland.

Brüssel sieht die Digitalsteuer nur als Übergang, bis eine einheitliche Körperschaftsteuer mit neuen Regeln geschaffen wird, so dass Gewinne künftig dort besteuert werden, wo über digitale Kanäle konkrete Interaktionen zwischen Unternehmen und Nutzern stattfinden. Die Einnahmen sollen nach einem einheitlichen Schlüssel auf die EU-Staaten verteilt werden. Besonders hohe Umsätze macht die Branche mit Onlinewerbung, Vermittlungsgeschäften durch Internetmarktplätze oder Sharing-Economy-Plattformen, mit der Verwendung von Nutzerdaten oder Streamingabos. Die Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft ist laut EU-Kommission eine »Kombination aus Algorithmen, Nutzerdaten, Vertrieb und Wissen«.

Allerdings war im EU-Ministerrat nicht einmal die Übergangslösung durchsetzbar, wo in Steuerfragen das Einstimmigkeitsprinzip herrscht. Unter anderem der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte dies nicht - er schlug vor, nur dann ab 2021 eine europaweite Digitalabgabe von drei Prozent (und zwar in abgespeckter Form lediglich auf Werbeeinnahmen) einzuführen, wenn bis dahin keine internationale Regelung auf Ebene des Industrieländerclubs OECD gefunden werde. Doch auch diese Position scheiterte im März am Widerstand Dänemarks, Finnlands, Irlands und Schwedens, so dass auf EU-Ebene alles beim Alten bleibt.

Die ablehnende Haltung der Bundesregierung dürfte auch außenpolitische Motive haben: Da die vier großen Internetkonzerne allesamt aus den USA kommen, wollte Scholz die derzeitigen Handels- und Strafzollgespräche mit Washington wohl nicht weiter belasten. Tatsächlich ist man in Washington sauer auf Frankreich. US-Außenminister Mike Pompeo bezeichnete die Steuer in der vergangenen Woche als »extrem diskriminierend im Hinblick auf die Multinationalen aus den USA« und forderte die Rücknahme des Gesetzes. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire wies dies ebenso deutlich zurück: Frankreich sei »entschlossen und souverän« auf dem Gebiet der Fiskalpolitik.

Le Maire hofft sogar, dass »viele Länder« dem Beispiel Frankreichs folgen werden. Tatsächlich hatte Österreich vergangene Woche die Einführung einer Digitalsteuer beschlossen. Die dortige Internetwirtschaft sprach indes von einem »Totalüberwachungsgesetz«, denn der Staat wolle Internetnutzerdaten speichern.

Auch im französischen Parlament gibt es Kritik. Die konservativen Republikaner erklärten, es seien negative Folgen für Verbraucher, aber auch für französische Start-ups zu erwarten. Dagegen bemängelte die linke Opposition, die Pläne seien »zu wenig ambitioniert«. Und von Attac hieß es: gut gemeint, im Ergebnis aber mehr als enttäuschend.

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