Zukunftspakt mit der Verwaltung

Senat und Bezirke sollen künftig auf einer neuen Grundlage schneller miteinander arbeiten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Fall steht sinnbildlich für die Ineffizienz der Verwaltung: Insgesamt drei Jahre dauerte es und 18 Verwaltungsschritte waren nötig, bis in Tempelhof-Schöneberg endlich ein Fußgängerüberweg in einer Nebenstraße eingeweiht werden konnte. Das Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die komplizierten Vorgänge und die zahlreichen Ämter und Behörden, die eingebunden werden mussten, bis der »Zebrastreifens« fertiggestellt werden konnte.

Mit diesen Zuständen soll nun bald Schluss sein. Seit knapp einem Jahr haben Staatssekretär Frank Nägele (SPD) und sein Team Vorschläge zur Verschlankung und Effizienzsteigerung der Verwaltung in Berlin erarbeitet. Herausgekommen ist ein 61-seitiger Textvorschlag für einen »Zukunftspakt Verwaltung«, der »nd« vorab vorliegt. Am kommenden Donnerstag soll zu dem Thema, das viele Bürger in Berlin beschäftigt, eine große Konferenz stattfinden. Zu der haben sich über 120 Beschäftigte und Vertreter aus den Gliederungen der Verwaltung angemeldet - bei der Zusammenkunft sollen die Vorschläge noch einmal diskutiert werden. Ziel ist es, dass am 14. Mai zwischen dem rot-rot-grünen Senat und den zwölf Bezirksbürgermeistern ebenjener Zukunftspakt besiegelt wird.

Fakten zu den Bezirken
  • In Berlin gibt es zwölf Bezirke; die letzte Verwaltungsreform trat zum 1. Januar 2011 in Kraft. Die Bezirke nehmen gemäß der Verfassung von Berlin nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung die örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr. In jedem Bezirk gibt es eine gewählte Bezirksverordnetenversammlung, die die fünf Mitglieder des Bezirksamts wählt. Jedes Bezirksamt besteht aus einem Bezirksbürgermeister und vier Stadträten. Die Verantwortlichkeiten unterscheiden sich zum Teil.
  • Schnittstelle zum Senat ist der Rat der Bürgermeister, in dem der Regierende Bürgermeister sowie die zwölf Bezirksbürgermeister zusammenkommen. Ingesamt arbeiten in den Bezirken fast 20 000 Beschäftigte. Aktuell sind 1800 Stellen vakant. Die Bezirke suchen händerringend Personal. mkr

Grundlage für die Debatte waren die Vorschläge einer Kommission unter Heinrich Alt. Der frühere Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit hatte sich gemeinsam mit elf anderen Experten die Verwaltungsprozesse in Berlin angeschaut. Ihr Fazit: Ein Modernisierungsprozess ist zwingend notwendig. Aufbauend auf diesen Vorschlägen liegt nun der Vorschlag für einen Zukunftspakt vor.

»Sie werden im Personalbereich keine Revolution sehen, aber zahlreiche kleine Verbesserungen im Betrieb«, sagte Staatssekretär Frank Nägele dem »nd«. Das Schlüsselwort sei »Augenhöhe«, die zwischen Senat und Bezirken erreicht werden solle - der Senat steuere, die Bezirke setzen um, so Nägele. Grundmotive der Vorschläge sind eine Beschleunigung und Verbesserung der Dienstleistungen sowie die Einbeziehung aller Beteiligten. So stellt das Papier zur Diskussion, die Kompetenzen der Bezirksbürgermeister zu stärken. Unter ihrer Ägide sollen die wichtigen Bereiche Personal, Finanzen und Haushalt gebündelt werden. Vereinheitlicht werden sollen auch die Zuständigkeiten der Stadträte in den verschiedenen Bezirken. Dahinter steckt der Gedanke, dass sich die Stadträte dann über die Bezirksgrenzen hinaus besser vernetzen könnten. »Mit Blick auf die Struktur wäre mein Wunsch eine Vereinheitlichung der Geschäftsbereiche«, sagt Nägele. Als dritter Vorschlag wird in dem Zukunftspaktpapier angeregt, einen sechsten Stadtratsposten pro Bezirk zu schaffen. Bislang gibt es jeweils fünf Stadträte (inklusive Bezirksbürgermeister). Für einen Bezirk wie beispielsweise Pankow, in dem mehr als 400 000 Menschen leben, reicht das aber nicht. Vor der Bezirksreform 2001 gab es in den drei Bezirken Prenzlauer Berg, Weißensee und Pankow, die danach zu Pankow fusionierten, sogar noch 21 Stadträte.

Doch nicht nur effizientere Strukturen haben die Vordenker aus der Senatskanzlei diskutiert. Weitere Verbesserungen sollen darüber hinaus bei der Personalgewinnung, unter anderem durch die Beschleunigung der Einstellungsverfahren, erzielt werden. Außerdem wurden bereits erfolgreich eine Ausbildungsoffensive und ein digitales Verfahren für die KfZ-Zulassung angeschoben.

Auf eine neue Grundlage soll auch die Zusammenarbeit zwischen dem Senat und den Bezirken gehoben werden. Beide Ebenen sollen, so die Vorstellung der Vordenker, besser verstehen, dass sie ein Team sind. Um die Verbindlichkeit zu erhöhen, sollen künftig Zielvereinbarungen getestet werden. Beispielsweise beim Thema »Stadtgrün«. Die Bezirke müssen demnach im Anschluss darlegen, wie viele Straßenbäume und Sträucher sie gepflanzt haben.

Auch die langen Planungsphasen bei den Fußgängerüberwegen und den Radwegen, die im Durchschnitt sogar fünf Jahre brauchen, bis sie fertiggestellt sind, sollen bald der Vergangenheit anhören. Solche Prozesse sollen in einem »CityLAB« geprüft werden. In dieser Verwaltungsmanufaktur prüfen Experten die Doppelzuständigkeiten, um sie abzuschaffen. Denn dass Senatsverwaltungen in den Bau von »Zebrastreifen« involviert sind, scheint mehr als überflüssig.

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