Mehr Transparenz bei Vorkäufen

Linkspolitikerin Gaby Gottwald fordert einheitliches und schlankes Verfahren

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Ausübung von Vorkaufsrechten führt nicht nur bei Investoren für Sorgenfalten, auch für die betroffenen Mieter und zuständigen Baustadträte ist jeder einzelne Fall ein zermürbender Kampf um das Gelingen. Geht das nicht besser?

Erstmal will ich festhalten, dass die Ausübung der Vorkaufsrechte ein ziemlicher Erfolg ist. In diesem Umfang wie Berlin macht das außer München vielleicht keine andere Stadt. Bis Ende Januar wurden fast 1200 Wohnungen durch Vorkauf gesichert, dazu kamen noch Abwendungsvereinbarungen, die knapp 2600 Wohnungen betrafen. Das bedeutet: immerhin für 20 Jahre sind kostentreibende Modernisierungen und die Umwandlung in Eigentumswohnungen ausgeschlossen. In der Abstimmung sind noch härtere Auflagen.

Im Interview

Gaby Gottwald sitzt für die Linksfraktion im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen des Berliner Abgeordnetenhauses, dem sie seit Februar 2017 angehört. Seit vielen Jahren engagiert sich die Politikerin in der Mieten- und Wohnungspolitik. Über die Ausübung von Vorkaufsrechten und mögliche verbesserte Verfahren dazu sprach für »nd« mit ihr Nicolas Šustr.

In manchen Häusern mit besonders niedrigen Mieten müssen die Bewohner sogenannten freiwilligen Mieterhöhungen zustimmen, damit landeseigene Wohnungsbaugesellschaften überhaupt kaufen. Finden Sie das richtig?

Ich lehne eine Beteiligung der Mieter ab. Es gibt zwischen den Ressorts Dissens um die Gewichtung. Also ob man primär die Ziele des Milieuschutzes umsetzt und damit, abgeleitet aus dem Baugesetzbuch, das Allgemeinwohl verfolgt oder die Betrachtung des Geldgebers, inwieweit also für die Wohnungsbaugesellschaft eine Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Von der wohnungspolitischen Zielsetzung sind gerade Häuser, die eine sehr niedrige Miete haben und nicht durchsaniert und -modernisiert sind für uns als Ankaufsobjekte besonders wünschenswert.

Die Finanzverwaltung soll die Vergabe von Zuschüssen allerdings immer wieder an die Bedingung knüpfen, dass Mieter mehr zahlen.

Wenn man umrechnet, wie hoch der Anteil der Mieter in Relation zu den Eigenkapitalzuschüssen ist, dann scheint mir das in vielen Fällen eher ein symbolischer Akt zu sein, der gewollt ist, aber nicht einer, der sich aus einem Sachzwang ergibt. Und ich halte diese freiwilligen Mieterhöhungen auch für rechtlich fragwürdig, weil das Instrument des Vorkaufs zum Ziel hat, die Mieten niedrig zu halten.

Die Ungereimtheiten gehen aber noch weiter. Wieso lehnt in manchen Fällen eine Wohnungsbaugesellschaft den Vorkauf ab, während eine andere sich darauf einlässt?

Meiner Meinung nach kann es nicht sein, dass die eine Gesellschaft rechnet, dass die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, wenn der Kaufpreis nach 30 Jahren über die Miete hereingeholt wird, die andere aber mit 25 oder 40 Jahren rechnet. Die Renditevorgaben sollten vereinheitlicht und, wir von der LINKE sind der Meinung, möglichst reduziert werden. Das Verfahren sollte einheitlich und transparent sein.

De facto hat derzeit die Finanzverwaltung die Federführung. Sie hat die Hand auf den Zuschüssen und erklärt zum Teil auch öffentlich, warum in diesem oder jenem Fall ein Vorkauf möglich ist oder nicht.

Ich wünsche mir, dass in diesen Prozessen regelhaft die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen als Fachbehörde ein größeres Gewicht bekommt, es geht um wohnungspolitische Entscheidungen. Der Bezirk und die Fachbehörde stimmen in Kooperation mit der Wohnungsbaugesellschaft oder anderen Dritten ab, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werden soll oder verworfen wird. Dann muss die Finanzierung geklärt werden.

Die Finanzverwaltung ist gegen zu viel Transparenz mit dem Argument, dass man für die Gegenseite - die Spekulanten - zu berechenbar werden würde.

Wir müssen intern nachvollziehen können, nach welchen Kriterien über Vorkäufe entschieden wird, das muss nicht in der Presse stehen. Da gehen die Vorstellungen in der Koalition ein bisschen auseinander. Wir haben andiskutiert, dass die Wohnungsbaugesellschaften ja auch ein Eigenkapital haben. Klar sollen sie das zum bauen nutzen, aber sie könnten auch ein internes Budget für Vorkäufe bilden und nur im Bedarfsfall muss das Land zuschießen. Das würde das Verfahren durchaus schlanker machen.

Und dafür sorgen, dass Bezirksstadträte und Mieter nicht bis zum letzten Tag zittern müssen, ob es klappt?

Ja. Das nervt alle Beteiligten unglaublich und zieht wahnsinnig viel Kraft. Und derzeit überlässt man es den Mietern weitgehend, dass sie ihr Haus organisieren. Es macht auch keinen Sinn, dass die Mieter durch die Ausübung des Vorkaufsrechts so in Unruhe versetzt werde. In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es ja durchaus eine Betreuung über Organisationen, die das übersichtlicher gestalten und die jeweiligen Kanäle herstellen. Das sollte regelhaft in ganz Berlin gemacht werden.

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