Eine linke Politik ist möglich

Sozialismustage in Berlin mit Debatten über Enteignungen, Kämpfe in Lateinamerika und die Erholung der Gewerkschaften in Europa

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich wünsche mir eine Linke, die nicht eine etwas bessere, sondern eine ganz andere Politik macht als die anderen Parteien. Ich wünsche mir eine Linke, die nicht mit den prokapitalistischen Kräften kooperiert.« Der Applaus wurde lauter, als der Theaterregisseur Volker Lösch am Freitagabend auf der Auftaktveranstaltung der diesjährigen Sozialismustage in Berlin diese Worte sprach. Drei Tage diskutierten mehrere hundert Menschen, darunter Delegationen aus verschiedenen europäischen Ländern, am Franz-Mehring-Platz, wo auch das »neue deutschland« seine Redaktion hat. Es ging um einen Sozialismus auf der Höhe der Zeit, und die Auftaktveranstaltung widmete sich der linken EU-Kritik. Sascha Stanicic von der Sozialistischen Alternative Voran (SAV), die den Kongress wie schon in den letzten Jahren veranstaltet, übte scharfe Kritik an der aktuellen EU. Sie sei kein Garant für Frieden und Demokratie, sondern selber militaristisch. Der Neoliberalismus gehöre zu ihren Grundlagen. Einen Austritt aus der EU forderte er allerdings nicht, sondern eine Auflösung sämtlicher militärischen EU-Strukturen.

Als eine Inspiration für die Linke über Deutschland hinaus bezeichnete Stanicic das Volksbegehren »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«. Am Samstagvormittag sprach Rouzbeh Taheri von der Volksbegehren-Initiative dann auf einer Podiumsdiskussion mit der Stuttgarter Mieteraktivistin Ursel Beck und dem Berliner Stadtsoziologen und langjährigen Mieteraktivisten Andrej Holm über das Thema. Lucy Redler vom Vorstand der Linkspartei kritisierte zu hohe Entschädigungssummen, die in der Debatte erwogen würden. Sie sieht aber in dem Berliner Volksbegehren ein Beispiel, wie man heute linke Politik machen kann. Michael Prütz berichtete über seine Erfahrungen auf Veranstaltungen in Berliner Randbezirken, wo es wenig linke Infrastruktur gebe. Die Enteignungsforderung stoße dort auf viel Sympathie. SAV-Mitglieder aus Dortmund berichteten über ihre Erfahrungen mit aus ihren Wohnungen vertriebenen Mieter*innen des Wohnkomplexes Hannibal 2, der kurzfristig geräumt werden musste, weil die Eigentümer*innen sich nicht um den Brandschutz gekümmert haben. Obwohl viele Mieter*innen eine Enteignung gefordert hatten, sei es nicht dazu gekommen, weil sich die Stadtverwaltung nicht mit der Intown-GmbH habe anlegen wollte.

Mehrere Redner*innen betonten, dass die Mieter*innenbewegung Einfluss auch die Linkspartei genommen habe. Noch vor einem Jahrzehnt sei sie bzw. ihre Vorläuferin PDS an der Privatisierung von Wohnraum beteiligt gewesen. So etwas sei heute undenkbar. Mehrere Redner*innen erklärten, die Initiative zur Enteignung von Wohnungsbaugesellschaften sei eine gute Möglichkeit, um für einen auf Selbstverwaltung beruhenden Sozialismus zu werben.

Eine Großveranstaltung widmete sich der Situation der Linken in Lateinamerika. Der Wahlerfolg von Rechten wie Bolsonaro in Brasilien dürfte nicht verdecken, dass es auf dem Kontinent weiter linke Massenkämpfe gibt, betonte eine Rednerin.

Ein weites Thema auf den Sozialismustagen war die Stärkung kämpferischer gewerkschaftlicher Strukturen. So beschäftigte sich ein Workshop mit der Bewegung der Beschäftigten in den Krankenhäusern. Britische Gewerkschafter*innen berichteten über ihre Erfahrungen der dortigen Arbeiter*innenbewegung, die sich noch immer von der Thatcher-Ära erholen müsse. Auch in Deutschland strebt die SAV den Ausbau linksgewerkschaftlicher Strukturen an. Sie sieht darin auch einen Beitrag zum antifaschistischen Kampf. »Eine erfolgreiche und kämpferische Gewerkschaftsarbeit bietet die beste Basis, um rechtsextreme Kräfte zurückzudrängen«, hieß es in der Einladung. Im nächsten Jahr ist eine Strategiekonferenz unter dem Motto »Für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik« geplant. Am 18. Mai gibt es in Frankfurt ein erstes Vorbereitungstreffen.

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