Österreich kürzt bei den Ärmsten

Rechts-Regierung will mit »Sozialhilfe-Gestz« Mindestsicherung kürzen

  • Michael Bonvalot, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Überleben reicht die Mindestsicherung in Österreich kaum, auch wenn sie eine Existenzabsicherung darstellen soll. Die Höhe ist Ländersache: In Wien sind es im Jahr 2019 für Alleinstehende pro Monat 885 Euro, für Paare 1328 Euro. Pro minderjähriges Kind kommen 239 Euro dazu. In Vorarlberg hingegen werden an Alleinstehende nur 645 Euro ausbezahlt. Dennoch trommeln ÖVP und FPÖ vor allem seit 2016 für eine weitere Kürzung - damals war eine bundesweit einheitliche Regelung ausgelaufen. Als Aufhänger dient die Ankunft geflüchteter Menschen.

Die Agitation der beiden Rechts-Parteien war erfolgreich: Fast alle Bundesländer haben nach 2016 die Mindestsicherung gekürzt. Darunter etwa das Burgenland, wo die SPÖ mit der FPÖ eine Koalition bildet, sowie Tirol, wo die ÖVP mit den Grünen koaliert. Auch in Wien, wo Rot-Grün regiert, gab es kleinere Kürzungen. Die damalige grüne Tiroler Landesrätin Christine Baur erklärte 2017, dass die schwarz-grüne Landesregierung »bei den Ärmsten« kürze.

Bereits seit dem Antritt der ÖVP-FPÖ-Koalition in Österreich im Dezember 2017 ist klar, dass bundesweite Kürzungen folgen sollen. Das steht im Regierungsprogramm, das sogar eine »Arbeits- und Teilhabepflicht« für Bezieher vorsieht. Auch der neue alte Name »Sozialhilfe« findet sich dort anstatt der »Mindestsicherung«, was den Almosencharakter in den Vordergrund stellt.

Das Sozialhilfe-Gesetz, das nun verabschiedet werden soll, bedeutet teils existenzbedrohende Kürzungen. So soll es für Paare nur noch höchstens 1208 Euro geben, wobei die Länder diesen Beitrag nochmals kürzen dürfen. Familien mit Kindern werden besonders betroffen sein: Während es derzeit für jedes Kind einen fixen Betrag gibt, darf es künftig für das erste Kind höchstens 215 Euro geben, für das zweite Kind 129 Euro und ab dem dritten Kind nur noch 43 Euro.

Ebenfalls betroffen sind Menschen, die in Wohngemeinschaften wohnen. Hier ist eine sogenannte Deckelung auf 1549 Euro je WG vorgesehen - unabhängig davon, wie viele Personen in der WG wohnen. Diese Regelung zielt nicht zuletzt auf geflüchtete Menschen ab. Drittstaatsangehörige sollen erst nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Österreich Anspruch auf Sozialhilfe haben. Falls die betroffenen Personen Deutsch nicht mindestens auf Niveau B1 beherrschen, wird die Sozialhilfe nochmals um 300 Euro gekürzt. Gleichzeitig werden Deutschkurse von der Regierung gestrichen. Ebenfalls 300 Euro weniger kann es für Menschen geben, die keinen Pflichtschulabschluss haben.

Die Mehrheit der Bevölkerung hat die Regierung hinter sich. So zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM im Januar 2019, dass 75 Prozent der Befragten dafür sind, dass der Anspruch auf Mindestsicherung erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich bestehen soll. Kürzungen für anerkannte Flüchtlinge, die nicht gut Deutsch sprechen, begrüßen mehr als 90 Prozent der Wähler von ÖVP und FPÖ, aber auch 61 Prozent der Wähler der Sozialdemokratie und 68 Prozent der Grün-Wähler. Bei den Kürzungen für Familien ist das Bild etwas differenzierter, doch auch hier sind 47 Prozent dafür, nur 33 Prozent dagegen.

Verwundern kann das nicht, durch die Kürzungen der Länder wurde der Boden bereitet. Und auch die aktuellen Kürzungen finden bei Teilen der Opposition Gefallen. So sieht etwa der burgenländische Soziallandesrat Norbert Darabos von der SPÖ in den Plänen der schwarz-blauen Regierung einen »guten Ansatz«.

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