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  • Volksentscheid Transparenzgesetz

Mehr Transparenz wagen

Eine Initiative in Berlin fordert, dass Verwaltungsinformationen veröffentlicht werden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Vorteile eines Transparenzgesetzes wären enorm - für Bürger wie die öffentlichen Verwaltungen selbst. Ein konkretes Beispiel: Würden die Daten des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg öffentlich, könnten Menschen, die in der Metropole Berlin mit dem Rollstuhl unterwegs sind, sich viel einfacher bewegen, weil sie aktuelle Informationen zur Barrierefreiheit beziehen könnten. Wenn alle Informationen von Behörden und Ämtern transparent wären, würden auch die Verwaltungen selbst profitieren, etwa wenn die Gesundheitsverwaltung Sozialdaten zeitnah von allen zwölf Berliner Bezirken abfragen könnte. Die These ist: Aus den Datenschätzen der Verwaltung könnte in der Metropole großer Nutzen für das Gemeinwohl generiert werden.

»Von einem Transparenzgesetz profitieren extrem viele zivilgesellschaftliche Institutionen«, sagt Marie Jünemann vom Verein Mehr Demokratie. Die Campaignerin ist zugleich Vertrauensperson des »Bündnis Volksentscheid Transparenzgesetz«, in dem unter anderem Organisationen wie der Chaos Computer Club, die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit oder Wikimedia Deutschland mitmachen. Ende März hat das Bündnis bei der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres einen Entwurf für ein Berliner Transparenzgesetz eingereicht. Der Gesetzestext ist umfassend: Auf 64 Seiten hat die Initiative ihre Vorstellungen zusammengefasst. Zuletzt wurde der Vorschlag auf Grundlage eines Rechtsgutachtens etwas modifiziert.

Die Grundidee des Gesetzentwurfes ist es, die bisherige Informationspraxis der Behörden umzudrehen. Ist es bislang so, dass Bürger über das bestehende Informationsfreiheitsgesetz teure und aufwendige Anfragen zu Daten an Behörden stellen müssen, soll es künftig andersherum sein. »Wir wollen ein Online-Portal einrichten, wo die Verwaltungen selbst proaktiv Informationen einstellen«, sagt Jünemann. Die Bürger sollen diese Informationen dann kostenfrei beziehen können. Ausgenommen wären nach dem Vorschlag nur Informationen, die mit einem Geheimschutz versehen sind, wie beispielsweise bei der Inneren Sicherheit.

Den Initiatoren des Volksbegehrens schwebt ebenfalls eine Art »kleines Lobbyregister« vor. So sollen auch Protokolle des Senats und Treffen von Senatsmitgliedern mit Lobbyisten transparent gemacht werden. Ebenso Stellungnahmen von Verbänden, damit klar wird, wer welchen Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse genommen hat.

Insgesamt 20 000 gültige Unterschriften braucht das Bündnis in Berlin, damit der Antrag zu einem Volksbegehren für ein Transparenzgesetz angenommen wird. »Wir wollen Mitte Juli anfangen, vier Monate Unterschriften zu sammeln«, kündigt Jünemann an. Sollte das klappen, müsste sich das Abgeordnetenhaus mit dem Volksbegehren beschäftigen. Laut Bündnis könnte dann die zweite Stufe folgen, bei der rund 170 000 Unterschriften gesammelt werden müssen, um zur Bundestagswahl im Herbst 2021 einen berlinweiten Volksentscheid zu erzwingen.

Ob es so weit kommt, bleibt abzuwarten. Das Bündnis für den Volksentscheid ist vergleichsweise klein. Die zweite Stufe eines Volksbegehrens zu absolvieren, haben in Berlin bisher nur wenige Initiativen geschafft. Wahrscheinlicher ist: Durch den Druck, den das Bündnis jetzt aufbaut, wird der rot-rot-grüne Senat dazu bewegt, endlich selber beim Thema Transparenzgesetz zu liefern. Schließlich wird im Koalitionsvertrag des Mitte-links-Bündnisses ein solches in Aussicht gestellt: »Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz wird weiterentwickelt in Richtung eines Transparenzgesetzes mit der Maßgabe, dass nicht schützenswerte Daten in der Regel auf dem Berliner Datenportal zur Verfügung gestellt werden«, heißt es dort.

»Wenn der Senat sich nicht bewegt, dann müssen wir als Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv werden und dafür sorgen, dass die Berliner Behörden transparenter werden«, sagt Oliver Wiedmann, der Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. Man hoffe, dass die Innenverwaltung zügig eine Kostenschätzung erstelle, damit die Initiative ihren Zeitplan einhalten könne.

Klar ist: Wenn die Behörden und öffentliche Unternehmen Informationen digital zur Verfügung stellen sollen, ist das nicht umsonst zu haben. Eine solche Umstellung kostet Geld. Da die Verwaltung aber sowieso bis zum Jahr 2023 digitalisiert werden soll, könnte die Umsetzung des Transparenzgesetzes in Zukunft einfacher werden.

Unterstützt wird der Vorschlag innerhalb der Mitte-links-Koalition insbesondere von den Grünen und der Linkspartei. »Wir unterstützen die Forderung nach einem Transparenzgesetz«, sagt Tobias Schulze. Der Wissenschaftsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und Vizelandesvorsitzende der Linkspartei ist mit dem Thema befasst. Aus den Gesprächen in der Koalition weiß Schulze, dass es in der SPD Vorbehalte gibt. Dennoch will die Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) bis zum Sommer ein Eckpunktepapier für ein Transparenzgesetz vorlegen. Dann drängt auch die Zeit: »Das Anhörungsverfahren zum Referentenentwurf muss nach der Sommerpause beginnen, damit das Transparenzgesetz noch in dieser Legislatur verabschiedet werden kann«, sagt Schulze. Dem Abgeordnetenhaus liegt zudem ein Entwurf zu einem solchen Gesetz auch von der FDP vor. Dass die Entwürfe so weit gehen, wie von der Initiative gefordert, ist indes zu bezweifeln. Auch in der Linkspartei gibt es Bedenken, ob wirklich jedes Treffen von Regierungsmitgliedern und Verwaltungen dokumentiert werden muss.

Erschwerend kommt hinzu: Wegen der innerkoalitionären Blockade zur Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, wie in Berlin das Polizeigesetz heißt, liegen auch die Gespräche fürs Transparenzgesetz auf Eis. Auch deshalb will die Initiative mit einem Volksbegehren den Druck von außen erhöhen.

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