Der Sugardaddy: Ein Demokratiegarant

Der Autokonzern Daimler verzichtet 2019 auf Parteispenden. Prompt setzte es Beschwerden von denen, die sonst nonchalant abwinken, wenn es um eingeforderte Gelder geht.

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit letzter Woche dämmert es uns nun, dass es mit dieser Demokratie zu Ende geht. Nicht etwa weil die GroKo platzt oder die AfD als Regierungspartei droht: Nein, weil Daimler sich dazu entschlossen hat, in diesem Jahr auf Parteispenden ganz generell zu verzichten. Für Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, bedeutet das den Zusammenbruch, denn sich ganz aus der Spendierlaune herauszuziehen, so twitterte er betroffen, halte er letztendlich für verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm.

Auch Hermann Otto Solms von der ehemaligen Mövenpick-Partei FDP, meldete sich empört zu Wort. Parteispenden seien nämlich gar nicht korruptiv, findet er - dass seine Partei im Jahr 2010 eine Millionenspende eines Hotel-Unternehmers angenommen hatte und kurz danach anregte, man möge die Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe senken, war offenbar nur ein doofer Zufall. Oder aber Ausdruck einer gut funktionierenden Demokratie, wenn man den konservativen Kräften im Lande Glauben schenkt. Solms möchte Daimler jetzt übrigens einen Beschwerdebrief schreiben. Das habe ich mich indes nie getraut, als meine Oma damals hin und wieder beschloss, mir heute mal nichts zuzustecken.

Der gefühlte Untergang unseres gut geschmierten demokratischen Abendlandes ergriff natürlich auch manche Redaktionsstube. Exemplarisch dafür sind die Worte Jasper von Altenbockums von der FAZ, der bei zur Gewohnheit werdender Spendenunlust davon ausgeht, dass der »Schaden für Staat und Gesellschaft größerer [ausfällt] als durch manipulierte Abgaswerte.« Und wir dachten alle, der aufgewirbelte Feinstaub wäre unser aller Ende.

Schon irgendwie interessant, dass die eifrigste Empörung jetzt aus jenem politischen Lager kommt, das immer so überlegen festgestellt hat, dass man nur das Geld ausgeben dürfe, das man auch einnimmt. Die Kreise, die jetzt sauer sind auf den abtrünnigen Daimler-Konzern, haben doch immer ganz finanzfachmännisch getan, wenn es um höhere Investitionen oder um den noch zu niedrigen Mindestlohn und den geringen Regelsatz ging. Dann kam meist der Standardspruch, wonach man eben nur ausgeben könne, was man einnehme und dass dies der Markenkern konservativer Wirtschaftspolitik sei.

Kaum sagt nun mal ein Unternehmen keine Spenden mehr zu, regt man sich lauthals auf, macht daraus eine Staats- und Demokratiekrise. Die Kritiker des Sparkurses haben oft dasselbe behauptet. Sie sagten, dass es der Demokratie nicht guttut, wenn man die Infrastruktur verkümmern lässt und Arbeitslose in ein rigides Verwaltungssystem steckt. Mit Blick auf die politische Entwicklung, den fehlenden stabilen Verhältnissen oder dem Erscheinen der AfD, könnte man sagen: Sie hatten recht. Aber die Konservativen, die jetzt den Untergang herbeianalysieren, weil Daimler mal ein Jahr nichts überweist, haben damals freilich abgewunken und arrogant drübergestanden.

Sie meinten in solchen Augenblicken stets, dass sich die Verhältnisse eben änderten, man damit klarkommen müsse. Stillstand sei doch Gift. Nur für sie gilt das jetzt nicht. Sie möchten keine Veränderung. Es soll immer so weitergehen. Man hat sich nämlich schön eingerichtet in dieser Republik, in der die politische Kaste sichere Einkünfte und gefestigte Verhältnisse vorfindet. Mitnahmementalität und fehlende Eigenverantwortung wirft man nur den Bürgerinnen und Bürgern vor. Für den eigenen Stand gilt das natürlich nicht.

Dabei haben sie es uns doch immer gepredigt: Man muss sich einer verändernden Welt anpassen. Und wenn das Schule macht, mehrere Unternehmen nicht mehr spenden sollten, dann muss man eben den Gürtel enger schnallen, Stellen im Parteiapparat abbauen, kleinere PR-Programme fahren. Protestbriefe an den Sugardaddy schreiben: Das ist doch Sozialromantik einer gestrigen Welt.

Natürlich könnte man nun auch diese Zeilen als demokratiegefährdend auslegen, ganz so wie gemeinhin die »Mitte«-Studie interpretiert wurde. Sie glaubte in der Skepsis gegenüber den politischen Abläufen im Land den Rechtsruck zu erkennen. Gute Bürger schweigen sich vermutlich darüber aus. Man könnte irgendwie den Eindruck haben, dass man momentan gerne alles mit dem Stichwort »demokratiegefährdend« labelt, was unsere verkrusteten, lobbyfinanzierten und geschmierten Strukturen hinterfragt und damit den »Weiter-so-Kurs« in Frage stellt. Und das ist die wahre Gefährdung unserer Demokratie.

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