Öcalan ruft zu Verhandlungen auf

Erstmals seit 2011 fand ein Gespräch zwischen dem PKK-Anführer und seinen Anwälten statt

  • Berfin Elvan
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 2. Mai 2019 fand zum ersten Mal seit acht Jahren ein Treffen zwischen dem auf der Gefängnisinsel İmralı inhaftierten Vorsitzenden und Gründer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK Abdullah Öcalan und zwei seiner Anwälte statt. Dies erklärten die Anwälte am Montagnachmittag bei einer Pressekonferenz in der türkischen Metropole İstanbul.

Seit 2011 wurden 810 Anträge der Anwälte auf einen Besuch bei Öcalan abgelehnt. Nach dem versuchten Militärputsch im Juli 2016 in der Türkei hatte die Regierung schließlich alle Besuche bei Öcalan verboten. Dagegen wächst der Protest: Gemeinsam mit Leyla Güven, der Parlamentsabgeordneten der türkisch-kurdischen Linkspartei HDP (Demokratische Partei der Völker), befinden sich derzeit nach Angaben der Partei etwa 3000 Menschen alleine in türkischen Gefängnissen im Hungerstreik. Ihre Hauptforderung: Die Isolation Öcalans soll aufgehoben werden. Die HDP fordert zudem ein dauerhaftes Besuchsrecht. Einen ersten Erfolg errungen die Hungerstreikenden, als Mitte Januar Öcalan Besuch von seinem Bruder erhielt. Nun scheinen die Hungerstreikenden einen zweiten Sieg erkämpft zu haben.

In der Pressekonferenz in İstanbul erklärten sich die Anwälte Newroz Uysal und Rezan Sarıca zunächst zu den technischen Umständen, unter denen das Treffen mit Öcalan stattfand. Ursprünglich hatten vier Anwälte ein Treffen mit dem 70-Jährigen sowie ihren drei ebenfalls inhaftierten Mandanten Hamili Yıldırım, Ömer Hayri Konar und Veysi Aktaş beantragt, jedoch erhielten nur Uysal und Sarıca die Genehmigung für ein Gespräch mit Öcalan. Während des Treffens sei das Erstellen von Notizen untersagt gewesen, berichteten die Anwälte. Ein Aufruf an die Öffentlichkeit, unterschrieben von Öcalan, Yıldırım, Konar und Aktaş, wurde von staatlichen Behörden am Wochenende, an die Anwälte übergeben. Er wurde während der Pressekonferenz verlesen.

In dem Aufruf betonen die vier Inhaftierten, dass gegen die gesellschaftliche Polarisierung und Konfliktkultur in der Region vor allem demokratische Verhandlungen dringend notwendig seien. Die Probleme der Türkei und der gesamten Region, allen voran der Krieg, seien nicht durch physische Gewalt, sondern durch die Kraft von Verstand, Politik und Kultur zu lösen. In Bezug auf die Demokratischen Kräfte Syriens heißt es, dass auch dort statt der bewaffneten Auseinandersetzung, die Lösung in einer lokalen Demokratie angestrebt werden solle. Diese müsse durch die Verfassung gewährleistet werden. »In diesem Sinne sollten auch Bedenken der Türkei berücksichtigt werden«, so die Erklärung.

An die Hungerstreikenden richtete sich der Aufruf mit dem Appell, die eigene Gesundheit nicht aufs Spiel zu setzen und die Aktionen keinesfalls bis zum Tod durchzuführen. Ihre geistige, physische und seelische Gesundheit stünde über allem anderen, heißt es.

Zuletzt wurde betont, dass die 2013 auf dem kurdischen Neujahrsfest Newroz verlesene Erklärung Öcalans heute weiterhin Geltung habe und ein »würdevoller Frieden« sowie »eine demokratische politische Lösung« weiterhin an erster Stelle stünden. 2013 hatte Öcalan erklärt, dass die PKK ihre bewaffneten Kräfte aus der Türkei zurückziehen würde, was zu dieser Zeit ein enormer Fortschritt in den Friedensverhandlungen mit dem türkischen Staat war. Während des Friedensprozesses blieb zwar seinen Anwälten das Besuchsrecht verwehrt, doch durften politische Repräsentanten wie Politiker der HDP, Öcalan besuchen. Der Dialog wurde erst im Frühjahr 2015 abrupt von Seiten der türkischen Regierung abgebrochen, im Sommer 2015 wurden die Kampfhandlungen gegen die PKK wieder aufgenommen.

Abdullah Öcalan war 1978 Mitbegründer der PKK. Er befindet sich seit 1999 in Haft. Seine ursprünglich erlassene Todesstrafe wurde 2002, noch vor dem Wahlsieg der AKP und auf internationalen Druck hin, in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal