SPD macht auf FDP 4.0

Sozialdemokratisches Wirtschaftsforum will »Agenda 2030« / Gabriel für Steuersenkungen

Eine »Agenda 2030 für Deutschland« hat das Wirtschaftsforum der SPD in einem am Donnerstag veröffentlichten Positionspapier gefordert. Wer sich hier an die »Agenda 2010« von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Wie seinerzeit Anfang der Nullerjahre wird in dem vom »politischen Beirat« des Forums vorgelegten 16-seitigen Dokument angesichts »gewaltiger Herausforderungen« durch Digitalisierung sowie Mobilitäts- und Energiewende eine »neue Balance« der zentralen Elemente des Sozialstaats verlangt. Zentral bleibt dabei das Prinzip des »Förderns und Forderns«. Angesichts der weiter abnehmenden Zahl existenzsichernder Jobs dürfte weiterhin vor allem Letzteres zum Tragen kommen.

Ebenfalls am Donnerstag hatte der SPD-nahe Verein, der sich selbst als »unabhängiger unternehmerischer Berufsverband« bezeichnet, zu einer Konferenz eingeladen. Unter dem Titel »Soziale Marktwirtschaft 4.0« diskutierten dort Vertreter von Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften sowie FDP-Chef Christian Lindner und Claudia Dörr-Voß, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, über Aufgaben »moderner Wirtschaftspolitik«.

Forumspräsident Michael Frenzel lobte die Agenda 2010. Die Arbeitslosigkeit sei nicht zuletzt dank dieser Arbeitsmarktreformen auf dem niedrigsten Stand seit 1990, sagte der ehemalige Vorstandschef des TUI-Konzerns. Zugleich sieht er »dunkle Wolken am Horizont aufziehen«. Durch die Umstellung auf Elektromobilität seien in der Autoindustrie »weit über 100 000« Arbeitsplätze in Gefahr. Frenzel wiederholte seine scharfe Kritik an Kevin Kühnert, dessen Parteiausschluss er vergangene Woche gefordert hatte, nachdem der Juso-Vorsitzende sich für die »Kollektivierung« von Konzernen wie BMW ausgesprochen hatte. Mit gescheiterten »Rezepten der Vergangenheit« könne man den Herausforderungen der Zukunft nicht begegnen.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte die Arbeit der Kohlekommission. Der von ihr erarbeitete Plan für den Ausstieg aus der Kohleförderung bis zum Jahr 2038 sei eine »große gesellschaftliche Leistung« und habe den Konflikt um dieses Ziel »befriedet«.

In einer Podiumsdiskussion zu den Aufgaben moderner Wirtschaftspolitik äußerte FDP-Chef Lindner erneut, der Klimaschutz müsse Ingenieuren und anderen »Profis« überlassen werden, und wetterte gegen diejenigen, die die Autoindustrie und ihre »ehrlichen Beschäftigten« pauschal diffamierten, obwohl der größte Teil der Fahrzeuge alle Abgasgrenzwerte einhalte. Zugleich betonte Lindner, die Unternehmen müssten »ordentlich Steuern zahlen«, damit der Staat eine vernünftige Wirtschaftspolitik machen könne. Die SPD-Linke Gesine Schwan - auch sie gehört zum politischen Beirat des Forums - erinnerte, es sei die »klassische Position des Ordoliberalismus«, dass der Staat für einen funktionierenden Wettbewerb sorge, »dass also Monopolbildung entgegengewirkt wird«. Zugleich müsse die »organisierte Zivilgesellschaft« als »kritische Instanz« in die Wirtschaftspolitik einbezogen werden.

Lindner hält eine »Stagnation beim Einkommen aus Arbeit« im Zuge der weiteren technologischen Entwicklung für »unvermeidlich«. Deshalb sei durchaus darüber nachzudenken, große Unternehmen zu »vergesellschaften«, sagte er. Für ihn bedeutet dies jedoch nichts anderes als Beschäftigte zu Aktionären zu machen, um sie in geringem Umfang an der Ausschüttung von Dividenden zu beteiligen.

Unterdessen hat sich auch der ehemalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in die wirtschafts- und sozialpolitische Debatte eingeschaltet. Am Donnerstag veröffentlichte er im »Tagesspiegel« einen »Fünf-Punkte-Plan für einen sozialen Kapitalismus«. In seinem Gastbeitrag spricht er sich vor allem für Steuersenkungen für die Wirtschaft aus. »Mit fast 30 Prozent Unternehmenssteuern gegenüber 15 Prozent zum Beispiel in den USA verlieren wir einfach massiv an Attraktivität.« Das ist insofern bemerkenswert, als die SPD-Spitze wie auch Finanzminister Olaf Scholz bisher Forderungen der CDU nach einer »Entlastung« der Unternehmen abgelehnt hat. Zugleich spricht sich Gabriel für eine »Europäisierung und Globalisierung von staatlich gesetzten Marktregeln« aus. Beschäftigte will er vor allem über Steuer- und Beitragsfreibeträge entlasten. Für mehr Staatseinnahmen soll laut Gabriel eine niedrige Erbschaftssteuer für alle Erben sorgen.

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