Triümphchen für die Freiheit der Wissenschaft

Die Kopftuch-Konferenz an der Frankfurter Universität endete ohne Mord und Totschlag

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 3 Min.

»Was kann mehr rauskommen als ›die einen sagen so, die anderen sehen es anders‹?«, fragte ein Nutzer auf Twitter vor der hochumstrittenen Konferenz »Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?«, die am Mittwoch an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main stattfand. Dass dabei mehr als Schwarz-Weiß herauskam, kann jeder selbst auf der Webseite der Goethe-Universität nachhören.

Doch der Reihe nach: In Frankfurt wird derzeit eine Ausstellung über muslimische Mode gezeigt, die in der Kritik steht, das Kopftuch zu verharmlosen. Als Reaktion darauf hatte die Ethnologin Prof. Dr. Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam die besagte Tagung an der Universität organisiert, die der hessische Sozial- und Integrationsminister Kai Klose (Grüne) unterstützte.

Studierende hatten dann bemängelt, dass die Konferenz »antimuslimischen Rassismus« verstärke. Auf ihrem Flugblatt heißt es unter anderem: »Wir fordern, dass sich praktizierende Muslime und als muslimisch markierte Personen in Deutschland nicht ständig für autoritäre islamische Staaten rechtfertigen müssen.« Gegenüber »nd« wehrte die Gruppe sich gegen den Vorwurf, sie agiere anonym und nannte Zuher Jazmati als ihren Sprecher. Schriftliche Fragen des »nd« beantwortete sie nicht.

Ihre Kampagne lief im Internet unter »Schroeter_raus« und »wirbleibenlaut«. Da sie stark auf ihre Person abzielte, sprach Schröter von einer »Hetzjagd«. Ihr Ziel sei es nicht gewesen, »gegen Kopftuchträgerinnen zu Felde« zu ziehen, sagte Schröter am Mittwoch. Hinter der Kampagne vermutet die Expertin für Islamismus auch die radikalislamische Gruppe »Realität Islam«. Belege dafür gibt es bislang nicht. Auch andere hatten Schröters Gästeauswahl als einseitig bezeichnet. Unter den fünf Frauen und dem einen Mann waren mit Alice Schwarzer, Necla Kelek und der Direktorin einer Frankfurter Grundschule, Ingrid König, drei vehemente Kopftuchkritikerinnen.

Dass in dieser Kontroverse nicht stumpf Antirassismus und Rassismus im Clinch liegen, zeigt ein Statement des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Der stellt sich hinter Schröter, findet an ihrer Gästeliste aber problematisch, dass mit Khola Maryam Hübsch von der Ahmadiyya-Gemeinde eine Rednerin eingeladen war, die islamistische Positionen vertreten würde. Die Feminismus-Referentin des AStA, Fatma Keser, nannte als Beispiel, dass Hübsch in einem Interview die Zwangsehe verharmlost hätte.

Von der Konferenz zitierten die meisten Medien vor allem Schwarzer und Schröter. Weniger prominent, aber ambivalent waren die späteren Vorträge. So betonte die Islamwissenschaftlerin Dr. Dina El-Omari aus Münster, dass der Koran in Bezug auf Verhüllung nicht wörtlich gelesen werden dürfe. Sie forderte, »die Muslime müssen den Mut aufbringen zu sagen, solch ein Koran passt nicht mehr zu unserer Zeit«. Zugleich positionierte sich El-Omari vage gegen ein Verbot. Ihr Kollege Dr. Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg bezeichnete das Kopftuch als ein »Werkzeug der männlichen Herrschaft« und würde es »dem Gefühl nach« gerne verbieten. Dennoch sprach er sich, wie El-Omari, eher für stärkere Aufklärung aus. Ein Verbot erzeuge nur Trotzreaktionen.

Selbst über den Livestream war zu sehen, dass die Moderatorin immer wieder Mühe hatte, das Publikum zur Ruhe zu bringen. Das könnte daran gelegen haben, dass es nur Vorträge und Fragen, aber keine Zeit für Diskussion gab. Letztlich blieb der Umgang großteils respektvoll. Ingrid König, schloss ihren Vortrag mit dem Satz: »Emotionen gehören dazu, man muss sie nur richtig einordnen und damit umgehen können« - eine Erkenntnis, die gerade aus feministischer Sicht für die weitere Debatte zu begrüßen ist.

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