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»Wir schwören unserem Volk«

In Sudan stehen regionale Konflikte im Wege einer rosigen Zukunft - doch es gibt Hoffnung

  • Philip Malzahn
  • Lesedauer: 4 Min.

Fünf Monate Dauerprotest. Hunderte Tote und unzählige Verhaftungen. Der Sturz des Staatschefs Omar al-Baschir und die darauffolgende Gründung eines Militärrats waren die Folge. Nach all diesen turbulenten Ereignissen, die seit Beginn der Proteste am 19. Dezember das Land in Aufruhrhalten, soll es endlich soweit sein: Die führenden oppositionellen Parteien und treibenden Kräfte hinter der Protestbewegung, allen voran die »Allianz für Freiheit und Veränderung« (Alliance for Freedom and Change), haben sich mit dem Militärrat geeinigt - eine dreijährige Übergangsphase soll das Land zur repräsentativen Demokratie führen.

Das Abkommen sieht vor, dass das sudanesische Parlament während der vereinbarten Zeit mit 300 Abgeordneten besetzt wird. 67 Prozent sollen der »Allianz für Frieden und Veränderung« angehören. Damit hätte das Bündnis eine Zwei-Drittel-Mehrheit, was auf den ersten Blick große Zustimmung in der Bevölkerung findet: Die derzeitigen Proteste wurden von einem breiten Querschnitt der Bevölkerung unterstützt und vorangetrieben. Die »Allianz für Freiheit und Veränderung« ist ein Spiegelbild dieses Querschnitts und ein Zusammenschluss diverser Gewerkschaften, Bauernverbände, politischen Parteien und Initiativen. Es wird jedoch das erste Mal sein, dass ihnen eine Entscheidungsmacht im Staatsgefüge zugesprochen wird. Niemand kann voraussagen, wie das plurale Bündnis den Übergang zur regierenden Fraktion meistern wird. Die Erwartungen sind auf jeden Fall hoch.

Obwohl die endgültige Unterzeichnung des Abkommens noch aussteht, versprach der Stabschef des Militärrats, General Jasser Atta, ein Ergebnis, das »den Wünschen der Menschen entspricht«. »Wir schwören unserem Volk, dass die Übereinkunft innerhalb von 24 Stunden vollständig vollzogen wird«, sagte er auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. In den Verhandlungen über die Dauer der Übergangsphase hatte das Militär für zwei und die Demonstranten für vier Jahre plädiert. Atta sagte weiter, die ersten sechs Monate der nun verabredet Dreijahresfrist sollten dazu verwendet werden, um in den Konfliktregionen des Landes Friedensverträge mit den Rebellen zu unterzeichnen - etwa in Darfur, Blauer Nil und Kordofan.

In diesen Regionen herrscht seit fast zwei Jahrzehnten ein bewaffneter Konflikt zwischen Rebellen und Regierungstruppen. In Darfur, im Westen Sudans, ist es ein ethnischer Konflikt; in den Regionen Blauer Nil und Süd-Kordofan kämpft das Militär gegen separatistische Gruppen wie der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung, die eine Abspaltung der Region vom Norden und eine Angliederung an Südsudan erreichen wollen. Insgesamt sind in beiden Konflikten schon über 200 000 Menschen ums Leben gekommen und mehrere Millionen auf der Flucht.

Zwar war die Regierung unter Präsident Baschir in den vergangenen Jahren sehr darum bemüht, den Konflikt zu beenden, 2018 unterschrieben mehrere Rebellengruppen einen Friedensvertrag mit der Regierung. Doch die Hintergründe sind kontrovers: Baschirs Methoden in den Jahren vor den Verhandlungen galten als grausam. 2016 sollen seine Truppen sogar Chemiewaffen gegen die Bevölkerung in Darfur eingesetzt haben.

Nun gibt es Hoffnung: Der Anführer der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung, Abdulaziz al-Hilu, sagte in einer Erklärung: »Als Geste des guten Willens und um eine Chance für eine sofortige Machtübertragung an die Zivilbevölkerung zu gewähren, kündige ich eine Feuerpause für drei Monate in allen Gebieten bis zum 31. Juli an.« In der Hauptstadt Khartoum bleibt die Lage jedoch angespannt. Erst am Montag waren vor dem Militärhauptquartier fünf Demonstranten und ein Offizier erschossen worden. Der Militärrat erklärte, Bewaffnete hätten sich heimlich unter die Demonstranten gemischt.

Vertreter der Protestbewegung sprachen zunächst von einer Miliz, die dem gestürzten Regime Omar al-Baschir nahe stehe. Später sagte ein Sprecher der Demonstranten dann aber, der Militärrat trage die volle Verantwortung. Auch die USA machten das Militär für die Toten verantwortlich. Seit dem Sturz al-Baschirs und der Bildung des Militärrats waren die Proteste in Khartoum nicht abgeschwächt. Die Sorge, dass das Militär probieren würde, gewaltsam für Ordnung zu schaffen, ist nach wie vor stark. Mit Agenturen

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