nd-aktuell.de / 21.05.2019 / Politik / Seite 2

»Wir können Grundbedürfnisse sichern«

Martina Purwins über die Schwierigkeiten der humanitären Hilfe im von Zyklonen getroffenen Mosambik

Martin Ling

Mosambik ist in sechs Wochen von zwei schweren Wirbelstürmen getroffen worden, zuerst Mitte März das Landeszentrum von Idai und daraufhin Ende April der Norden von Kenneth. Sie waren in Mosambik unterwegs. Wie würden Sie die Lage beschreiben?

Zum Zeitpunkt meiner Ankunft in Beira Mitte April war die Überflutung nur noch vereinzelt zu sehen. Der größte Teil des Flutwassers hatte sich bereits zurückgezogen. Jedoch hat der Wirbelsturm massive Schäden hinterlassen. Um- und eingestürzte Bäume und Mauern, teilweise bis vollkommen zerstörte Häuser, unzugängliche Straßen prägen derzeit das Bild in Beira.

Insbesondere in den »Barrios« in Beira sind die Umstände besorgniserregend. Die labyrinthartigen Wege in den Siedlungen der ärmsten Bevölkerungsgruppen sind zum Teil durch neuen Regen überflutet und oft schlammig. Anwohner haben teils keine Möglichkeit, zu ihrer Hütte zu gelangen, ohne da hindurch zu waten. Übergelaufene und undichte Latrinen kontaminieren das Grundwasser. Viele Menschen müssen Obdach bei befreundeten Familien oder Nachbarn suchen. Für viele gibt es diese Möglichkeit jedoch nicht.

Auch im ländlichen Raum in der Provinz Sofala haben wir zum Beispiel bei Besuchen in Gesundheitsposten gesehen, dass eine große Anzahl von Menschen (insbesondere Mütter mit Kleinkindern, schwangere Frauen) auf Unterstützung und medizinische Versorgung wartet, es aber an allem mangelt, das heißt an Medikamenten, medizinischen Geräten und so weiter. Die hygienischen Zustände sind prekär, Frauen und Kinder übernachten ungeschützt (auch ohne Moskitonetze) unter freiem Himmel, während sie auf medizinische Versorgung warten. Die Malaria-Ansteckungsgefahr ist gerade hier sehr hoch.

Was wird Ihrer Meinung nach in den betroffenen Gebieten am dringendsten benötigt?

Durch die Zerstörung von Saatgut, Ernten sowie großer Teile der Anbauflächen wird dringend Unterstützung in der Ernährungssicherung benötigt. Zum Beispiel durch Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel, Saatgut sowie Werkzeuge für die Bestellung der Felder.

Weiterhin wird vor Ort medizinische Versorgung inklusive Vor- und Nachsorge für schwangere Frauen benötigt und insbesondere für jene, die kurz vor der Entbindung stehen. Hier ist die Problematik teils lebensbedrohlich, da es unter anderem durch die Unzugänglichkeit der Straßen und Wege kaum Möglichkeiten gibt, diese Frauen in Krankenhäuser in der Umgebung zu transportieren.

Dazu braucht es mehr Medikamente für die Behandlung von Malaria als auch für die Behandlung von Cholera und Durchfallerkrankungen insbesondere in den ländlichen, abgelegenen Regionen, wo es weiterhin an allem mangelt. Auch Moskitonetze zur Vorbeugung sind gefragt.

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein weiterer Bereich, in dem dringender Unterstützungsbedarf besteht, da sowohl Grund- als auch Oberflächenwasser durch die Überflutung kontaminiert sind. So sind sie weder sicher für das Zubereiten von Speisen noch zum Trinken.

Wie steht es um Seuchengefahr?

Krankheiten wie Cholera und Malaria sind nahezu unvermeidlich in so einem Katastrophenfall. Mangelndes Trinkwasser, unzureichende Hygiene und das stehende und verschmutzte Wasser im Überschwemmungsgebiet steigern das Risiko von Seuchen. Zum Zeitpunkt meiner Ausreise Anfang Mai gab es einen Anstieg auf rund 16.000 Malariafälle in der Provinz Sofala, während Cholera bereits wieder rückläufig war. Allerdings kann kaum von einer Entspannung der Situation zu reden sein. Die Gefahr eines Wiederausbruchs von Cholera besteht mindestens latent weiter.

Die Vereinten Nationen und die EU kündigten Ende April Soforthilfe in Höhe von zusammen rund 13 Millionen Euro an. Nach Idai hatte die Bundesregierung 3,75 Millionen Euro Soforthilfe für Mosambik zugesagt. Zudem will das Entwicklungsministerium den Wiederaufbau langfristig mit 50 Millionen Euro unterstützen. Ist das aus Ihrer Sicht ausreichend?

Um die Dimensionen verständlich zu machen: Die Weltbank beziffert den Gesamtschaden in Mosambik, Simbabwe und Malawi auf circa 2 Milliarden US-Dollar; während die jährliche Gesamtwirtschaftsleistung von Mosambik allein bei nur gut 12 Milliarden Dollar liegt. Die bisherigen Zusagen sind also ein guter Anfang, aber sicherlich nicht ausreichend, um öffentliche Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser, Straßen wieder zu errichten, aber auch zerstörte Ernten zu ersetzen und Anbauflächen zu rekultivieren.

Mosambik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Wie schätzen Sie die Handlungskapazität der Regierung ein?

Mosambik ist in der Tat sehr arm und die Krise ist akut: Die beiden Zyklone folgten auf lang anhaltende Dürren, welche wiederum die Lebensgrundlagen großer Bevölkerungsteile zum Teil zerstört haben. Das Land ist hoch verschuldet. Dringlichste soziale Fürsorge kann staatlich nicht geleistet werden. Ich denke, das sagt einiges über die Handlungsfähigkeit des Staates aus. Allerdings muss man diese Frage auch in regionaler Hinsicht differenziert betrachten. Das legen die Auskünfte von Betroffenen und meine eigene Beobachtung während meines kurzen Einsatzes vor Ort nahe.

Was können Hilfsorganisationen wie die Auslandshilfe der Johanniter leisten?

Hilfsorganisation wie die Johanniter können Grundbedürfnisse (Ernährung, Wasser, Gesundheitsversorgung) und das Überleben der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen sichern und damit vorübergehend die Lücken füllen, die durch den Staat nicht abgedeckt werden können.

Wo liegen die Grenzen für Hilfsorganisationen?

Im Bereich der humanitären Hilfe gibt es für Soforthilfeeinsätze klare Strukturen von der internationalen Staatengemeinschaft. Im Zuge der Überlastung des Gesundheitssystems, zum Beispiel bei der Versorgung der hohen Anzahl an betroffenen Menschen nach dem Zyklon, hat Mosambik ein internationales Hilfeersuchen gestellt. Nur danach konnten die zivilgesellschaftlichen Organisationen tätig werden und ihrerseits helfen.

Hieran schließt die Umsetzung des Clustersystems in Krisensituationen an, in dem im Gesundheitsbereich Vertreter der Weltgesundheitsorganisation gemeinsam mit Vertretern der Regierung anhand einer schnellen Analyse der Notlage entscheiden, welches medizinische Team wo mit welcher Aufgabe zum Einsatz kommt. Hilfsorganisationen greifen dem Staat dort unter die Arme, wo er selbst zu wenig Kapazitäten hat.