Konzentrierte Freude

Mit einem 2:2 gehen die Fußballer des 1. FC Union ins Relegationsrückspiel gegen Stuttgart.

Nach dem 2:2 im ersten Relegationsspiel verhielten sich die Berliner Spieler so souverän wie während der Partie beim VfB Stuttgart. Kein Triumphgeheul beim 1. FC Union angesichts der guten Ausgangslage vor dem Rückspiel, kein Anflug von Hohn für einen Gegner, der sich doch so siegesgewiss gegeben hatte. Als »gute Mannschaft« adelte Verteidiger Christopher Trimmel gar brav den VfB, während die Stuttgarter Anhänger pfiffen. »Wir müssen die Leistung von heute am Montag unbedingt bestätigen«, so Trimmel, »wenn wir ein paar Prozent nachlassen, haben wir keine Chance.« Trainer Urs Fischer beschrieb die Stimmung in der Kabine so: »Es herrscht konzentrierte Freude.«

Tatsächlich ist die Ausgangslage für den Zweitligisten vor dem Rückspiel nun weit besser, als das vor dem Spiel selbst viele Berliner Fans prophezeit hatten. Während im Lager der VfB-Anhänger nach dem dezenten Aufschwung unter Interimscoach Nico Willig verdächtig viel Optimismus herrschte, schien vielen Rotgekleideten in den Biergärten rund ums Stuttgarter Stadion eine knappe Niederlage als das Höchste der Gefühle. Dann habe man vor eigenem Publikum immerhin noch eine Chance.

Es sollte anders kommen, analog zur Stimmung im Stadion, die von beachtlichen Dezibelzahlen in der Anfangsphase gegen Ende so stark herunterkühlte, dass man plötzlich die 4500 Gästefans sehr laut hörte. Nach passabler Anfangsphase, in der der VfB seine individuelle Überlegenheit nachweisen konnte, kam Union immer besser ins Spiel und hatte in der 43. Minute ein Erweckungserlebnis - als Suleiman Abdullahi den Stuttgarter Führungstreffer durch Anastasios Donis ausglich. 87 Sekunden lagen zwischen beiden Toren. Besser kann man auf einen Rückstand nicht reagieren. Schneller kann man kein Stadion desillusionieren, das nach der Führung ebenso wie die Stuttgarter Spieler von einer »Läuft doch«-Stimmung erfüllt war.

»Es war wichtig für uns, zeitnah auszugleichen«, analysierte Unions Trainer Fischer. »Ich glaube, das hat der Mannschaft den Glauben für den Rest des Spiels gegeben.« Zumal das Kunststück gleich noch mal gelang: Wieder ging der VfB in Führung, diesmal durch Mario Gomez sechs Minuten nach Wiederanpfiff. Und wieder kam Union zurück. In der 68. Minute nickte Marvin Friedrich einen Eckball von Trimmel ein. Einfach so. Auch weil freundlicherweise kein Stuttgarter in der Nähe war.

Es war der krönende Abschluss einer zweiten Hälfte, deren Dynamik Union prima zupass kam. Während der VfB zusehends verkrampfte und keine einzige Torchance mehr hatte, wurde das Publikum immer ungehaltener. Die Eisernen, die zuletzt in der Liga ja auch nicht wirklich geglänzt hatten, spielten hingegen so selbstbewusst ihren Stiefel herunter, als führten sie 5:0 gegen Optik Rathenow. Einzig die Gelbsperren von Trimmel und Felix Kroos drückten da noch ein wenig aufs Gemüt. »Ich finde diese Regel komisch«, kommentierte Fischer den Umstand, dass die Verwarnungen aus der regulären Saison vor der Relegation nicht gestrichen werden.

Das Letzte, was die Stuttgarter Spieler aus dem eigenen Stadion mitnahmen, war der Blick auf die eigene Fankurve, aus der heraus Fäuste wild gereckt wurden. Ob die VfB-Fans ihre Wut nicht besser noch ein letztes Mal heruntergeschluckt hätten, wird sich am Montagabend in Berlin erweisen.

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