Auffallen durch extreme Aktionen

Inka Grings, ehemalige Nationalspielerin, über fatale Fehler und positive Entwicklungen im Frauenfußball

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Nationaltorhüterin Almuth Schult hat kürzlich deutliche Kritik wegen der noch immer ausbaufähigen Wertschätzung des Frauenfußballs in DFB, FIFA und UEFA geäußert. Können Sie das nachvollziehen?

Es gibt inzwischen wahnsinnig viele Frauen, die vom Fußball leben können - vielleicht sogar besser als wir früher. Ich denke, das gesamte Thema Frauenfußball muss noch stärker in den Fokus rücken. In der Bundesliga zum Beispiel gibt es nicht mehr so klare Dominanzen wie früher - oder wie bei den Männern in den letzten sieben Jahren. Das ist sicher positiv. Es gibt Klubs wie Freiburg, die sich im Frauen- und im Männerbereich step by step stabilisieren. Und nur so geht’s. Ich finde es vermessen zu sagen: Da müssen jetzt 20 Millionen Euro reingesteckt werden, und alles ist gut. Es muss auch die Infrastruktur stimmen, das ganze Drumherum.

Wie blicken Sie in diesem Zusammenhang auf das damals medial groß aufbereitete, aus deutscher Sicht sportlich aber enttäuschende Heimturnier 2011 zurück?

Man darf dabei, ähnlich wie bei den Männern, nicht vergessen, dass die Teams eigentlich nonstop in der internationalen Spitze dabei waren. Dass du irgendwann einen Rückschlag erleidest, ist völlig normal und gehört zum Fußball dazu. Dass es bei der Heim-WM passiert ist, war natürlich ungünstig. Die Frage ist, ob man anschließend in den Vereinen, auch bezogen auf die eigenen Spielerinnen, wirklich clever gearbeitet hat.

Und, hat man?

Ich behaupte, das hat man vergessen - und dachte eher, dass das jetzt ein Selbstläufer wird. Das war sicher fatal. Den Punkt, an dem du eigentlich noch mal eine Schippe drauflegen musst, haben die meisten einfach vergeigt. Ich finde, da müssen die Vereine viel mehr in die Verantwortung genommen werden, nicht nur der DFB. Die Erwartungshaltung ist, glaube ich, generell immer einen Tick höher als der Aufwand, den man vielleicht betreibt. Beim Verband und bei den Vereinen.

Was die Zuschauerzahlen - zumindest bei bestimmten Spielen - angeht, haben Länder wie Spanien oder England Deutschland inzwischen überholt. Erstaunlich, oder?

Das ist das Schöne am Fußball. Aber richtig ist eben auch: Wenn Paris Saint-Germain vorher die Werbetrommel anwirft, um irgendeinen Weltrekord zu schaffen, kommen da schon mal 30 000 oder 40 000 Menschen. Aber im nächsten Spiel haben sie nur 300 Zuschauer. So ein einmaliges Ereignis - das würde man auch in Deutschland locker hinbekommen.

Wie schätzen Sie das aktuelle Niveau des deutschen Frauenfußballs ein?

Ich glaube, die Bundesliga ist immer noch mit die stärkste auf der Welt. Aber Nationen wie England, Spanien und Italien werden langsam wach. Das ist natürlich wunderbar für den Frauenfußball, so entwickelt sich nun mal ein Sport. So hat sich auch der Männerfußball entwickelt, den es seit über 100 Jahren gibt. Und so entwickelt sich der Frauenfußball seit 40, 50 Jahren. Darauf kann man grundsätzlich sehr stolz sein.

Was erwarten Sie vom Niveau her von der WM in Frankreich?

Ich bin total gespannt. Natürlich auch darauf, was das deutsche Team macht. Aber auch Spanien ist eine sehr interessante Mannschaft, England und Frankreich ebenso. Das sage ich nicht nur, um einfach ein paar Nationen zu nennen. Sondern weil ich wirklich glaube, dass jetzt einige Länder dabei sind, die auf hohem Niveau mithalten können.

In den USA haben 28 Nationalspielerinnen im März Klage gegen ihren eigenen Verband eingereicht, weil sie trotz größerer Erfolge und höherer Umsätze deutlich geringere Prämien erhalten als das Männerteam.

Ich finde das sehr wichtig. Und es geht ja auch nur so, indem du dir, manchmal durch extreme Aktionen, Gehör verschaffst. So ist es nun mal in unserer Gesellschaft - und es wird sehr spannend zu beobachten sein, wie sich das alles weiterentwickelt.

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