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Die Städte denen, die drin wohnen

Wohnen ist in den Mittelpunkt sozialer Fragen gerückt - wie können Antworten von Links in einer stark befeuerten Debatte aussehen?

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland gerade einmal 27 000 Sozialwohnungen gebaut. Das sind gerade einmal 809 mehr als 2017. Nach Einschätzung des Mieterbundes wären jährlich rund 80 000 zusätzliche Sozialwohnungen nötig, um den Bedarf zu decken. Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Berlin als Hauptstadt und traditionelle Mieterstadt steht beim Thema Wohnen besonders im Fokus: Die Mietbelastung hier ist angesichts geringer Einkommen stellenweise durchaus mit jener in Hamburg, Köln oder München zu vergleichen. Die Stadt ist in den letzten Jahren zur Spielwiese internationaler »Investoren«, die oft nicht mehr als Spekulanten sind, geworden. Leidtragende sind Mieterinnen und Mieter.

Die Stadt ist aber auch ein Labor des Widerstandes gegen Verdrängung. Nirgendwo sonst haben Mieterinitiativen gegen Luxussanierung und Mieterhöhungen so viel Zulauf. Und in kaum einer Stadt ist auch der Vernetzungsgrad so hoch. Das hat nicht nur damit zu tun, dass das Thema Wohnen so zentral ist, sondern auch mit dem Umstand, dass es in zentrales Anliegen der rot-rot-grünen Landesregierung ist: Agenda der Mieterinnen, Mieter und Initiativen findet sich auch im Handeln der regierenden Parteien SPD, LINKE und Grüne wieder. Aber was können die Bausteine für eine soziale und gerechte Mieten- und Wohnungspolitik von links sein?

Mietenwahnsinn: Links und Termin

Fest der Linken 2019: Wie holt man sich die Stadt zurück?
Mietendeckel, Mietpreisbremse oder gleich Enteignung der großem Konzerne wie Deutsche Wohnen? Wohnen als soziale Frage drängt mit Macht aufs politische Parkett. Mit Harald Wolf, Sprecher für Verkehr, Energiewirtschaft, Beteiligungen der Berliner Linksfraktion, mit der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger und der Gruppe „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ / dasND.de/fdlWohnen

Dossier: Wem gehört die Stadt?
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nd-Serie: »Muss die Miete immer teurer werden?«
Andrej Holm räumt in einer 2017 von "neues deutschland" und der Rosa-Luxemburg-Stiftung 2017 präsentierten Serie mit Mythen über Wohnungsbau, Wohnungswirtschaft und Mieten auf.
dasnd.de/WohnenHolm

Da ist erstens eine Bodenpolitik, die die Veräußerung von Grundstücken aus der öffentlichen Hand an private Investoren unterbindet. Kommunale Wohnungsunternehmen lassen sich nämlich im Gegensatz zu privaten auch als Instrumente der Wohnungspolitik einsetzen, wenn es um Neubauprojekte oder die Deckelung von Mieten geht. Neubau durch kommunale oder landeseigene Wohnungsbaugesellschaften muss gefördert werden, daneben auch der Ankauf von Wohnungen - besonders in stark von Mietsteigerungen betroffenen Gebieten. Für Bestandsmieter soll außerdem ein landesweiter Mietendeckel her, zu dem es in der R2G-Koalition schon länger Überlegungen gibt.

Diese wurden Mitte Juni konkreter, die Mieten sollen für fünf Jahre gedeckelt werden, die regierenden Parteien im rot-rot-grünen Senat scheinen sich bei diesem Vorhaben einig zu sein. Die Reaktionen darauf waren naturgemäß heftig bis hin zur Empfehlung von Vermieter- und Eigentümerverbänden, doch bloß schnell noch die Mieten bis zum äußersten zu erhöhen, bis der Mietendeckel in Kraft tritt. Und dass auf dem Berliner Wohnungsmarkt längst nicht mehr nur Berliner Fragen ausgehandelt werden, lässt sich an einem der verlässlichsten Barometer des Spätkapitalismus ablesen: Die Aktienkurse großer Wohnungsunternehmen reagieren offenbar durchaus auf die von Berlin ausgehenden Pläne. Die teilweise sehr weit gehen: Denn so ein Mietendeckel würde nicht nur Mieterhöhungen verhindern, er würde auch den Weg über Modernisierungen versperren, was neben den einfachen Mietsteigerungen ein zweiter Hebel zur »Aufwertung« von Wohnungsbeständen wäre. Die vergangenen Wochen haben es bereits gezeigt: Der Mietendeckel hat das Potenzial, das gegenwärtige Geschäftsmodell auf dem Berliner Wohnungsmarkt wenn nicht gleich zu zerstören, so doch empfindlich zu stören.

Aber all die bisherigen Maßnahmen und Pläne zur Begrenzung der Mietkosten reichen allein aber offenbar nicht aus und haben bisher noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Und hier kommt das Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen« ins Spiel. Die Bürgerinitiative mit dem Ziel, große Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu enteignen und in öffentliches Eigentum zu überführen, hat eine wichtige gesellschaftliche Debatte weiter befeuert. »Selbstverständlichkeiten der neoliberalen Gesellschaftsordnung werden wieder infrage stellt«, konstatiert die Landesvorsitzende der Berliner LINKEN, Katina Schubert. Und: »Selbstverständlich wollen wir tatkräftig dabei helfen, dass das Volksbegehren erfolgreich ist.« Für die regierende Politik und Bevölkerung Berlins ist das Thema Wohnen wieder zur zentralen sozialen Frage geworden: Wem gehört die Stadt eigentlich?

Die nd-Talkrunde zum Thema Wohnen am 22.06. auf dem Fest der Linken, 12:50 Uhr Livebühne.

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