Ein Kompromiss und viele Fragen

Große Koalition einigt sich auf Grundsteuerreform mit von Bayern diktierten Ausnahmen

Bescheidenste Kompromisse als Erfolge zu verkaufen - darin hat die SPD nach 14 Jahren Großer Koalition Übung. Und so konnten die Vertreter der Partei der Einigung mit der Union in Sachen Grundsteuerreförmchen mit Öffnungsklausel am Montag viel Positives abgewinnen.

Der Koalitionsausschuss der Regierungsparteien hatte sich am Sonntagabend zu einer Nachtsitzung getroffen, die Ergebnisse wurden nach gut sechsstündigen Beratungen um zwei Uhr morgens verkündet. Einigkeit wurde bei der Grundsteuer erzielt, zu drei weiteren Vorhaben will man in den nächsten Wochen Gesetzentwürfe erarbeiten. Über das von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) verfochtene Konzept einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung für Geringverdiener wird dagegen wohl noch lange gestritten werden.

Bei der Grundsteuer, für die Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine bundeseinheitliche Berechnung nach Wert des Bodens und durchschnittlicher Miete vorgeschlagen hatte, wird es nun eine - von ihm bisher abgelehnte - Öffnungsklausel geben. Die hatte vor allem Bayern vehement eingefordert. Der Freistaat wird die Grundsteuer nun pauschal anhand der Größe des Grundstücks berechnen. Es wird damit unerheblich sein, ob es in einer teuren Stadt oder auf dem Land gelegen ist. Gegen die Pläne von Scholz hatten sich in Bayern auch Mietervertreter ausgesprochen, weil die Grundsteuer danach auch künftig auf die Miete umgelegt werden kann.

SPD-Interimschef Thorsten Schäfer-Gümbel betonte am Montag, die Öffnungsklausel habe keine Auswirkung auf den Länderfinanzausgleich, womit die SPD ihr »wichtigstes Anliegen« erreicht habe, dass es nicht zu einem »Steuerwettbewerb« zwischen den Ländern kommen könne. Die kommissarische SPD-Kovorsitzende Malu Dreyer sagte, der Kompromiss sei nicht das »Lieblingsmodell« ihrer Partei, aber vertretbar.

Kommende Woche soll der Gesetzentwurf für die Grundsteuerreform in erster Lesung im Bundestag behandelt werden. Er soll vor Jahresende in Kraft treten. Über die Abgabe nehmen die Kommunen jährlich rund 14 Milliarden Euro ein. Bislang wird die Steuer auf Grundlage völlig veralteter Zahlen zum Wert des Grundstücks berechnet. Deshalb hatte das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung bis Ende 2019 verlangt.

Deutliche Kritik an der Übereinkunft im Koalitionsausschuss übte der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup. Die Öffnungsklausel bedeute »mehr Bürokratie, zersplittert das Recht, belastet die Wirtschaft und ist nicht gerecht«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung« (Dienstag). Der LINKE-Finanzexperte Jörg Cezanne sieht in dem Kompromiss »ungerechte, mieterfeindliche Kleinstaaterei«. Seine Partei halte an ihrer Forderung fest, »dass die Grundsteuer den Wert der Gebäude berücksichtigen muss«. Zudem dürfe sie nicht mehr auf Mieter umgelegt werden.

Der Koalitionsausschuss beschloss in der Nacht zum Montag auch, bis Ende August einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages für rund 90 Prozent der bisher Veranlagten ab dem Jahr 2021 vorzulegen. Dies ist Bestandteil des Koalitionsvertrages. Der Fiskus wird damit auf rund zehn Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr verzichten. Ebenfalls bis Ende August soll ein Gesetzespaket zum Thema bezahlbares Wohnen erarbeitet werden. In der zweiten Septemberhälfte will die Koalition außerdem »ein in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht tragfähiges Gesamtkonzept zur gesetzlichen Umsetzung der Klimaziele bis 2030 vorlegen«.

Bei der Grundrente für Geringverdiener mit vielen Beitragsjahren bestehen CDU und CSU weiter auf einer Bedürftigkeitsprüfung. Diese ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

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