Werbung

Keine Sorgen

Was macht eigentlich »Welt«-Chefredakteur Ulf Poschardt, wenn er nicht gerade Unsinn schreibt? Die Grünen für eine Art Sowjetunion in Parteiform halten

  • Tim Wolff
  • Lesedauer: 3 Min.

»Welt«-Chefredakteur Ulf Poschardt macht sich Sorgen. Denn in einem Land, in dem die AfD in jedem Parlament sitzt, in dem es Hunderte (ans Licht gekommene) Einzelfälle von rechtsextremem und rassistischem Verhalten in Polizei und Bundeswehr gibt, in dem Anwältinnen türkischer Abstammung von Polizisten unter dem Kürzel NSU 2.0 mit dem Tode bedroht werden, Beamte bis in Sondereinsatzkommandos in Reichsbürger- und Preppernetzwerke verstrickt sind, es eine gute Entwicklung ist, wenn es unter 20.000 (registrierte) rechtsradikale Straftaten pro Jahr gibt, ist nun aller Wahrscheinlichkeit nach der CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet worden, weil er sich einmal mit deutlichen Worten eine menschenunfreundliche Haltung gegenüber Geflüchteten verbeten hatte.

Und es ist gleichfalls nicht unwahrscheinlich, dass Lübcke nicht der einzige auf einer Liste ist. Kleiner Scherz, Poschardt macht sich natürlich nicht deswegen Sorgen - steht doch einer, der die AfD, wo es geht, umarmen, tonnenweise Nazis in seinen Webkommentarspalten tummeln lässt und den Satteltaschen-Goebbels »Don Alphonso« zum Verkaufsschlager gemacht hat, garantiert auf keiner rechten Abschussliste. Nein, das Problem ist: »Dieselben Antifaschisten, die alles abseits der Open-Border-Idylle als rechtsradikal gängelten, wollen nun offen eine linke Republik.« Antifaschismus allein war nicht schlimm genug, jetzt auch noch links sein wollen!

Aber vor wem warnt der Mann in seinem »düsterem Blick auf das, was kommt« (@ulfposch auf Twitter), eigentlich? »Mit dem Aufbruch der Grünen, als linke Partei« - mit den Grünen als was? Zu solch einer Klassifizierung kann nur kommen, wer auch Kommentare mit der Überschrift »Die Grünen regieren faktisch schon seit Jahren das Land« zur Publikation freigibt. Wenn die Grünen faktisch das Land regieren, ist Ulf Poschardt faktisch ein Rechtsradikaler. Oder vielleicht einem Wahn verfallen.

»Mit dem Aufbruch der Grünen, als linke Partei künftig auch strukturkonservativen Parteien wie der SPD und der Linken an die Macht zu verhelfen, ändert sich der Ton in den Debatten.« Es herrschen »Freiheits- und Marktverachtung«, im »Windschatten des grünen Triumphzugs werden kulturell alte Unverträglichkeiten einst linksliberaler Milieus mit staatskapitalistischen und verbotsautoritären Ideen abgeräumt«, die »Kontrolle der Wirtschaft durch die Politik wird ohne jede innere Reserve ausgerollt«, kurz: »Freiheit als Ideal interessiert niemanden, nur als Problem.« O weh! Streichen Sie bitte das »vielleicht« aus dem Satz mit dem Wahn.

Der sich ändernde Ton in den Debatten ist keine Beobachtung Poschardts, es ist die Drohung eines Mannes, der über das Arsenal des Kalten-Krieg-Kampfverlags Springer verfügt und für den die Hartz-IV-, Jugoslawienbombardierungs- und Boris-Palmer-Partei namens Grüne faktisch die Sowjetunion ist. Und sollte die tatsächlich mal wieder mitregieren und überraschend mittels Gesetzen das tun, wozu Gesetze nun mal im Wesentlichen da sind: Einschränkungen und Verbote zum Wohle einer Gemeinschaft zu erlassen, noch dazu welche, die ausnahmsweise mal die Freiheit eines Ulf Poschardt, auf Kosten anderer zu luxusleben, problematisieren, dann knallt es aber richtig!

Er fühlt sich ja jetzt schon ausgegrenzt: »Nicht der mündige, auch ökonomisch mündige Bürger« - an wen er da wohl denkt? - »steht im Vordergrund, sondern der zu paternalisierende Betroffene« - wo auch immer außerhalb von Wahnhirnen.

Und von einem Mann, der publizistisch den Boden für Leute bereitet, die alles links der Closed-Border-Idylle ermorden wollen und es vermutlich nun auch tun, sollte man jede Drohung ernst nehmen!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal