Hackeralarm bei Putin

Russische Bürger haben fast zwei Millionen Fragen an den Präsidenten gestellt

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Hackerattacke auf das technische Zentrum war am Donnerstag ein unerwünschter Höhepunkt des mehr als vierstündigen Dialogs des Präsidenten Wladimir Putin mit den Bürgern Russlands. Die Störung aus dem Ausland habe Videoanrufe betroffen und sei behoben worden, teilte die Moderatorin des auf zentralen TV-Kanälen und online übertragenen 17. »Direkten Drahtes« mit. 75 Prozent der Bürger hatten ihr Interesse bekundet.

Der als »massiv« bezeichnete Angriff passte ins Bild der gestörten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, wenngleich auch die Ukraine verdächtigt wurde. Gerade erst hatte die »New York Times« aufgedeckt, das US-Militär wolle »aggressiv« gegen russische Stromnetze vorgehen und dort Schadsoftware platzieren.

Ob die USA in Russland das Licht ausschalten könnten, mochte Putin nicht direkt beantworten. Er versicherte jedoch: »Wir sichern unsere Infrastruktur.« Auf den Vorschlag zur Vereinbarung von Regelungen habe Moskau bislang keine vernünftige Antwort erhalten. Zur sonstigen Rüstung verwies der Oberkommandierende auf die weit vor Russland liegenden USA, Saudi Arabien und andere Länder, doch auch mit Stolz auf modernste Hyperschallraketen. Moskau zeige sogar einen Trend zur Verringerung der Ausgaben. Mit Blick auf den Konflikt zwischen den USA und Iran warnte er: »Die USA sagen, dass sie die Anwendung von Gewalt nicht ausschließen. Dies wäre eine Katastrophe für die Region.«

Einen »ersten Schritt« auf den neuen ukrainischen Präsidenten zu ließ Putin nicht erkennen. Wolodymyr Selenskyj sei »ein talentierter Mensch«, spielte er auf dessen Wirken als Komiker an, befinde sich aber jetzt nicht in einer Komödie, sondern einer Tragödie. »Nichts geschieht, nichts wird getan«, klagte der Kremlchef. Wie wolle er den Konflikt lösen, wenn er nicht mit den Separatisten rede. Siedlungen würden häufiger beschossen, die Blockade des Donbass fortgesetzt. »Nötig ist politischer Wille der ukrainischen Führung.«

Den Anteil der am gleichen Tag erneut verlängerten Sanktionen an wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes mochte Putin nicht überschätzt sehen, damit auch nicht die Wirkung einer Erfüllung westlicher Forderungen. »Länder, die Sanktionen verhängen, verlieren unseren Markt«, sagte er. Russland sei durch die Sanktionen sogar »in mehreren Richtungen mobilisiert« worden. Die Aufgabe der eigenen nationalen Interessen werde nichts grundsätzlich ändern. China habe mit dem Donbass nichts zu tun und werde auch sanktioniert. »Die Entwicklung Chinas soll eingedämmt werden. Dasselbe geschieht mit Russland. Wir müssen stärker werden.« Dialog sei immer gut, zeigt sich Putin gegenüber einem Gespräch mit Donald Trump aufgeschlossen. Angesichts des Wahlkampfes werde das nicht einfach. Sanktionen seien ein großer Fehler.

Gleich zum Auftakt fragte Feuerwehrmann Stanislaw Taukatschikas aus dem Kaliningrader Gebiet schmucklos, wann sein Gehalt erhöht werde. Von dem jetzigen könne man nicht leben. Putin kündigt eine Untersuchung an, die angegebenen 10 000 Rubel monatlich lägen unter dem Existenzminimum. Im Bereich des Ministeriums für Katastrophenschutz, wo es nicht zum Besten stehe, sei eine Erhöhung in die Wege geleitet. So sollte das Einkommen des Anrufers im kommenden Jahr auf 23 000 Rubel steigen, kündigt der Präsident an. Die Realeinkommen seien mehrere Jahre und insbesondere 2016 zurückgegangen, jetzt würden sie wieder steigen. Vieles sei Sache einer funktionierenden Wirtschaft. Nicht nur aus Volksbildung und Medizin war zu hören: »Das Leben wurde schwerer, wann wird es besser?«

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