Wer entscheidet über Krieg?

US-Militärschlag gegen Iran in letzter Sekunde gestoppt.

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit dem erst gebilligten und dann doch abrupt abgeblasenen US-Angriff auf Iran hat sich die Gefahr einer gewaltsamen Eskalation an der Straße von Hormus im Persischen Golf weiter erhöht. US-Präsident Donald Trump hatte den »Vergeltungsschlag« angeordnet, nachdem Iran eine unbemannte US-Spionagedrohne abgeschossen hatte. Ob diese in den iranischen Luftraum eingedrungen war, wie es Teheran behauptet und dafür Unterlagen an den UN-Sicherheitsrat übergeben hat, oder ob sie sich im internationalen Luftraum befunden hat, wie Trump und seine Militärs behaupten, bleibt ungeklärt.

Der Fast-Angriff ist der bisherige Höhepunkt in dem sich seit Wochen hochschaukelnden Konflikt, ausgelöst durch den Ausstieg aus dem 2015 vereinbarten Atomabkommens durch die Trump-Regierung und der darauffolgenden Kampagne des »maximalen Drucks«, mit der die USA Teheran zu Konzessionen zwingen will. Die Vereinigten Staaten machen Iran für die jüngsten Angriffe auf die Schifffahrt und Pipelines im Persischen Golf verantwortlich und haben mit der Aufstockung der Streitkräfte in der Region begonnen. So wurden am vergangenen Freitag zwei Öltanker im Golf von Oman angegriffen. Das US-Militär machte dafür die iranischen Revolutionsgarden verantwortlich - Teheran wies die US-Anschuldigungen zurück. Am Montag kündigte das Pentagon dennoch die Verlegung von weiteren 1000 Soldaten, Patriot-Raketenbatterien und unbemannten Drohnen an. Diese verstärken die 1500 Soldaten, eine Flugzeugträgergruppe und B-52-Bomber, die bereits in den vergangen Monaten in die Region entsand wurden.

Dass tatsächliche oder angebliche Angriffe auf US-Kriegsschiffe als Begründung für eine kriegerische Eskalation genutzt wurden, ist in der US-Geschichte mehr als einmal vorgekommen. Die Explosion auf der USS Maine im Hafen von Havanna im Jahr 1898 mündete im Krieg gegen die spanische Kolonialmacht. Ein angeblicher »Beschuss« zweier amerikanischer Schiffe im Golf von Tonkin im Jahr 1964 führten zu dem Angriff der USA auf Nordvietnam - wobei ein Krieg nie erklärt wurde und stattdessen vom Kongress nur ein Gesetz erlassen wurde, das die Unterstützung Südvietnamesischer Kräfte zum Gegenstand hatte.

Da bereits der Koreakrieg ohne Kriegserklärung oder Resolution des Kongresses geführt wurde, nahmen sich die Abgeordneten vor, die widersprüchlichen Verfassungsregelungen zum Einsatz bewaffneter Truppen durch den Präsidenten zu klären. Formell ist in den USA der Kongress für die Erklärung von Krieg zuständig; jedoch ist der Präsident gleichzeitig Oberster Befehlshaber des Militärs. Das Gesetz »War Powers Resolution« von 1973, das gegen das Veto von Präsident Richard Nixon vom US-Senat mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurde, besagt, dass der Präsident und der Kongress gemeinsam für den Eintritt in eine bewaffnete Handlung der Streitkräfte verantwortlich sind.

Nur wenn die USA selbst angegriffen werden, kann der Präsident eigenmächtig Truppen entsenden. Über diesen Schritt müsste er den Kongress innerhalb von 48 Stunden informieren, der wiederum nachträglich die Ermächtigung zur Fortsetzung der Militäraktion erteilen kann. Andernfalls müssten die Truppen innerhalb von 60 bis 90 Tagen zurückgeholt werden. Allerdings kann der Präsident als Oberbefehlshaber alleinig über den Einsatz nuklearer Waffen bestimmen, wobei eine Beratung seinem Vize angeraten ist.

Die »War Power Resolution« regelt darüber hinaus die Befugnisse des Präsidenten, einen Krieg vorzubereiten. Denn auch im Fall der Aufstockung von Truppen und Ausrüstung zur Vorbereitung einer Kampfhandlung in einem ausländischen Staat muss der Präsident binnen 48 Stunden beide Kammern des Kongresses über die Notwendigkeit, den geplanten Umfang und über die Dauer schriftlich informieren.

Seinen Rückzieher am Donnerstag begründete Trump offiziell mit der unverhältnismäßig hohen Todeszahl, die zu erwarten gewesen sei: Die US-Streitkräfte seien bereit zum Angriff gewesen, »als ich gefragt habe, wie viele sterben werden. 150 Menschen, Sir, war die Antwort eines Generals. Zehn Minuten vor dem Schlag habe ich ihn gestoppt.« Im Konflikt mit Iran läuft Trump aber auch Gefahr, keine Unterstützung für einen Krieg durch den Kongress zu bekommen. Am Donnerstag stimmte der Senat gegen den Willen des Präsidenten dafür, Waffenverkäufe an Saudi-Arabien für dessen Stellvertreterkrieg gegen Iran in Jemen zu blockieren. Auch aus der anderen Kammer des Kongresses, dem von den Demokraten dominierten Repräsentantenhaus, bekam Trump für seine Iran-Politik in dieser Woche Gegenwind. Die Abgeordneten stimmten dafür, die Anwendung einer Genehmigung für den Einsatz von militärischer Gewalt von 2001 für einen Krieg mit Iran zu blockieren.

Es war genau diese mittlerweile 18 Jahre alte Genehmigung, die nach den Anschlägen des 11. Septembers den Krieg gegen das Terrornetzwerk al-Qaida legal regelte, mit der die Regierung unter George W. Bush 2003 in den Krieg gegen Irans Nachbarn Irak zog. Später stellte sich heraus, dass die Regierung von Saddam Hussein keine Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida hatte. Zusammen mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen stellten sich beide Kriegsgründe der USA als Lügen heraus.

International wächst derweil die Sorge vor einer Eskalation. Als Vorsichtsmaßnahme hat die US-amerikanische Luftfahrtbehörde FAA ein Flugverbot für in den USA registrierte Flugzeuge ausgesprochen: Flüge über dem Persischen Golf und dem Golf von Oman seien nicht mehr erlaubt, teilte die Behörde mit. Auch europäische Fluggesellschaften erklärten, die Straße von Hormus im Persischen Golf zu umfliegen. Ein Sprecher der Lufthansa erklärte, eine Entscheidung sei bereits am Donnerstag gefallen.

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