Atypische Arbeit – für jeden Fünften normal

Teilzeit, Leiharbeit und Befristung sind weiter stark verbreitet

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland verharrt auf hohem Niveau. Das geht aus einer neuen Studie des Wirtschaftlichen- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Im Jahr 2017 arbeitete demnach rund ein Fünftel aller Beschäftigten (20,8 Prozent) hierzulande in Leiharbeit, Teilzeit, befristet oder in einem Minijob.

All diese Tätigkeiten werden als »atypisch« kategorisiert, da sie von dem »Normalarbeitsverhältnis« – einem unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob abweichen. »Man sollte diese Dinge nicht alle in einen Topf werfen. Aber generell liegt in diesen Beschäftigungsverhältnissen der Lohn niedriger als in regulären Arbeitsverhältnissen. Außerdem nehmen Beschäftigte ihre Arbeitnehmerrechte seltener wahr«, erklärt Studienmitautor Eric Seils gegenüber »nd«. Ein weiteres Problem: Durch die geringeren oder wie bei Minijobs teilweise gar nicht abgeführten Beiträge zur Rentenversicherung, drohen diese Personen, auch tendenziell eher im Alter auf zusätzliche staatliche Leistungen angewiesen zu sein.

Allerdings hat es in den vergangenen Jahren leichte Bewegung bei der atypischen Beschäftigung gegeben: 2007 stieg die Zahl der atypisch Beschäftigten auf ein Rekordwert von 22,6 Prozent aller Erwerbstätigen. Nach 2009 ist die Quote wieder etwas gesunken auf 20,8 Prozent im Jahr 2017. Und: Eigentlich hätte sich der leichte Trend zu weniger Leiharbeit oder Befristungen weiter fortgesetzt. Denn die gute wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre hat die Zahl der atypischen Beschäftigten leicht reduziert – allerdings nur bei den deutschen Erwerbstätigen. Bei ihnen sank die Zahl der so beschäftigten Frauen 2017 um 447.000 und auch die der Männer um 183.000.

»Gleichzeitig nahm die atypische Beschäftigung unter den Ausländern jedoch deutlich zu«, schreibt Seils gemeinsam mit seinem Kollegen Helge Baumann im WSI-Report. So waren 2017 insgesamt 492.000 mehr Menschen ohne deutschen Pass in solchen Jobs zu finden. Die Ursache: »Zugewanderte finden vielfach zumeist in der Leiharbeit, in befristeten, oder in Minijobs neue Arbeit«, erklärt Seils.

Auch insgesamt lag die Zahl der atypisch Beschäftigten trotz leichtem Rückgang weiterhin deutlich höher als noch in den 90ern. 1992 lag die Quote bei gerade einmal 13,4 Prozent im Westen und 13,3 im Osten.

Vor allem Frauen sind weiterhin die größte Gruppe der atypisch beschäftigten. Denn während nur etwas mehr als jeder zehnte Mann atypisch arbeitet (12,2 Prozent), sind es bei den Frauen fast ein Drittel (30,5 Prozent). Der Grund: Weibliche Beschäftigte arbeiten deutlich öfter in Minijobs oder nur Teilzeit. Auf sie entfällt auch ein Großteil der Zunahme in den letzten Jahren bei den atypischen Jobs. Die Studienautoren schreiben, dass »gut zwei Drittel des Anstiegs der atypischen Beschäftigung auf die wachsende (Teilzeit-)beschäftigung von Frauen zurückzuführen sind«.

Allerdings: »Das kann durchaus auch freiwillig sein und muss nicht dem Arbeitsmarkt geschuldet sein«, erklärt Seils. Zudem beobachtet er mit seinem Co-Autor Baumann, dass Frauen in den vergangenen Jahren ihre Erwerbstätigkeit in Stunden ausgeweitet haben. Die Zahl der Minijobs und »kurzen Teilzeiten« unter 20 Stunden Arbeitszeit in der Woche sank. Dagegen haben längere Teilzeiten mit mehr als 20 Wochenstunden und auch Vollzeitbeschäftigung zugenommen.

Generell lassen sich besondere Wahrscheinlichkeiten für atypische Beschäftigung für vier Gruppen ausmachen, so die WSI-Forscher: Frauen in Westdeutschland, die aus familiären Gründen oft in Teilzeit oder Minijobs arbeiten, zudem jüngere Beschäftigte, geringer Qualifizierte und Beschäftigte ohne deutschen Pass.

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