Zunahme der Hitzeextreme

Das Jahr 2019 bricht schon im Juni die ersten Temperaturrekorde. Das kann Folge des Klimawandels sein

  • Friederike Meier
  • Lesedauer: 4 Min.

In diesem Jahr könnten wir nach jetzigem Stand den ersten Hitzerekord schon im Juni erleben. »Der Mittwoch wird der erste Hitze-Höhepunkt des Jahres«, sagt Lars Kirchhübel, Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Denn dann kann es laut der Bundesbehörde mit Sitz in Offenbach lokal bis zu 40 Grad Celsius heiß werden - das gab es seit Beginn der Wetteraufzeichnung noch nie in einem Juni in Deutschland. Zudem könnte der bundesweite Temperaturrekord gebrochen werden, den im Moment noch Kitzingen in Unterfranken hält, wo es im Sommer 2015 an zwei Tagen 40,3 Grad heiß wurde. Doch Rekorde oder nicht, die Hitze wird anstrengend. »Auch wenn es nicht zu 40 Grad kommt, sind das so hohe Temperaturen, dass wir verbreitet mit einer hohen Wärmebelastung rechnen können«, sagt DWD-Mann Kirchhübel.

Und wieder einmal stellt sich die Frage: Ist der Klimawandel an den hohen Temperaturen in den kommenden Tagen schuld? »Wir können eine einzelne Hitzewelle nicht auf den Klimawandel zurückführen«, sagt Andreas Friedrich vom DWD gegenüber »nd«. »Aber dass wir in immer dichterer Folge Rekorde brechen, ist sicher teilweise auf den Klimawandel zurückzuführen.«

Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stimmt dem zu: »Wetterdaten zeigen, dass Hitzewellen und andere Wetterextreme in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen haben«, so der Klimaforscher. Die heißesten Sommer seit dem Jahr 1500 habe es alle nach der letzten Jahrhundertwende gegeben: in den Jahren 2018, 2010, 2003, 2016 und 2002. »Monatliche Hitzerekorde auf der ganzen Welt treten heute fünfmal häufiger auf, als es bei einem stabilen Klima der Fall wäre«, erläutert Rahmstorf. Diese Zunahme der Hitzeextreme entspreche genau dem, was die Klimawissenschaft als eine Folge der globalen Erwärmung vorhergesagt hatte.

Den Hitzesommer im vergangenen Jahr erklären Wissenschaftler auch damit, dass der Jetstream - eine Höhenwindströmung, die Wettergebiete rund um die Erde transportiert - schwächer wird. Da sich die Arktis viel schneller erwärmt, als es die mittleren Breiten tun, wird der Temperaturunterschied kleiner, der den Jetstream steuert. Wegen dessen Abschwächung können einzelne Wetterlagen länger anhalten, ob es nun Hitzewellen oder Starkniederschläge sind. »Die aktuelle Situation ist typisch für extreme Hitzewellen in Europa«, erklärt Kai Kornhuber, der am PIK im Bereich Erdsystemanalyse forscht, gegenüber »nd«. Ähnliche Muster im Jetstream habe es auch Ende Juni vergangenen Jahres sowie in den extremen Hitzesommern 2003, 2006 und 2015 gegeben. Allerdings: »Wie lange die Hitze nun anhalten wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer einschätzen.«

Ein Faktor, der eine Hitzewelle in diesem Jahr noch wahrscheinlicher macht als 2018, ist die Trockenheit: »Die Böden haben sich von der anhaltenden Dürre im vergangenen Jahr noch nicht erholt«, erklärt Kornhuber. Verdunstung von Bodenfeuchte sei ein wichtiger Mechanismus, der zur Kühlung während Warmzeiten beiträgt. »Trockene Böden erhöhen daher das Risiko für Hitzewellen.«

Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst hingegen beruhigt ein bisschen: In der jetzigen Wetterlage sei der Jetstream zwar nach Norden verschoben, was dazu führe, dass uns eine südliche Luftströmung heiße Saharaluft bringt. »Ich würde aber nichts darauf geben, dass das so weitergeht«, meint Friedrich. »Es kann gut sein, dass der Jetstream sich ab Montag wieder nach Mitteleuropa verschiebt und kühleres Wetter bringt.« Die derzeitige Wetterlage sei auch nicht so sehr mit der im vergangenen Jahr vergleichbar, die die große Dürre brachte.

Egal, ob die Hitze bald wieder endet oder anhält - in Zukunft werden wir lange Hitzewellen wie im vergangenen Jahr häufiger erleben. Bei einer globalen Klimaerwärmung um zwei Grad Celsius - dem Minimalziel des Pariser Weltklimaabkommens - liegt die Wahrscheinlichkeit für einen großflächigen Hitzesommer in Mitteleuropa bei fast 100 Prozent, wie eine Studie Schweizer Forscher ergeben hat. Anders ausgedrückt: Fast jedes Jahr gäbe es dann Sommer wie den von 2018. Und selbst, wenn wir es schaffen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie das ambitioniertere Pariser Ziel lautet, werden immerhin für ein Viertel der nördlichen Hemisphäre zwei von drei Sommern so heiß wie 2018.

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