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Der Videobeweis kann funktionieren. Nur nicht so!

Die WM der Frauen leidet unter vielen Unterbrechungen durch Bildschirm-Referees. Hier ist die Lösung.

Eins vorweg: Ich war immer ein Befürworter des Videobeweises - auch im Fußball. Ich halte viel von Gerechtigkeit und konnte das Argument nie verstehen, lieber etwas Falsches stehen zu lassen, nur damit man nach 90 Minuten pünktlich nach Hause gehen oder sich über die Fehlentscheidungen des Schiedsrichters aufregen kann. Wahrscheinlich tut das einfach weniger weh, als die Fehler bei der eigenen Mannschaft zu suchen. Aber ich schweife ab.

Die WM der Frauen in Frankreich leidet seit Wochen unter den vielen Unterbrechungen der Referees im Videoraum an ihren Bildschirmen. Teams drohen mit Boykotten, und die Nachspielzeiten sind fast schon so lang wie die Halbzeitpausen danach. Das ist eine Qual. Doch das alles hätte nicht sein müssen, wenn sich der Fußball an anderen Sportarten orientiert hätte, anstatt das Rad neu erfinden zu wollen. Das Lösungswort des Rätsels heißt »Challenge«.

Im Grunde funktioniert die so: Jedes Team bekommt pro Spiel oder Halbzeit eine bestimmte Anzahl von Einspruchsmöglichkeiten, englisch: Challenges. Selten sind es mehr als zwei. Wer glaubt, eine Fehlentscheidung erkannt zu haben, fordert den Videobeweis ein. Nur dann kommt der beim Fußball so viel gescholtene VAR zum Einsatz. Nicht aus Selbstantrieb, denn genau davon scheinen die Bildschirmrichter in Frankreich derzeit zu viel zu haben.

Liegt der Trainer mit seinem Einspruch richtig, behält er seine Challenge. Wird aber die Entscheidung des Schiedsrichters bestätigt, ist es aus mit dem Videobeweis. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann noch zu so häufigen Unterbrechungen kommt wie derzeit in Frankreich, ist äußerst gering. Denn die Trainer überlegen sich zweimal, ob sie ihre Challenge schon früh im Spiel nutzen und damit das Risiko eingehen, später nicht mehr ins Spiel eingreifen zu können. Im Baseball etwa ist es fast verpönt, den Videobeweis schon im ersten von neun Innings einzusetzen. Volleyballtrainer warten auch lieber bis zur Schlussphase eines Satzes, da ein Punktgewinn hier wichtiger erscheint.

Das Problem bei der WM ist übrigens keins der Frauen. Einige Reporter suggerierten ja bereits, dass die Menge der Unterbrechungen an den angeblich so schlechten Schiedsrichterinnen liege. Nein, auch hier hat sich der Fußball ein Eigentor geschossen. Denn just vor der WM hat die FIFA auch noch neue Regeln eingeführt. So zum Beispiel, dass eine Torhüterin beim Elfmeter im Moment des Schusses noch mit einem Bein auf der Linie stehen muss. Dies wird neuerdings auch per Videobeweis überprüft. Jeder Beobachter hätte wissen können, dass sich Torhüter und Torhüterinnen schon viel früher bewegen. Das hat aber niemanden besonders gestört, und trotzdem wurde die Regel geändert. Die Frauen sind jetzt die Ersten, bei denen sie angewendet wird. Sie müssen es ausbaden.

Die Regelhüter des International Football Association Board werden seit Jahrzehnten dafür kritisiert, dass sie zu konservativ und langsam auf Probleme reagieren. Diesmal waren sie eindeutig zu schnell.

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