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Politiker raus aus den sozialen Netzwerken!

Keiner bedient hierzulande die Netzwerke so telegen wie Heiko Maas. Politik und Social Media: ein einziger Interessenskonflikt.

  • Roberto de Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.
Mehr Inszenierung als Information: Instagram-Post von Heiko Maas.
Mehr Inszenierung als Information: Instagram-Post von Heiko Maas.

Heiko Maas ist der vielleicht bei Twitter aktivste hochrangige Politiker im Lande. Nicht, dass er die Plattform zur informativen Unterlegungen seiner ministeriellen Tätigkeit gebraucht. Das kommt nur relativ selten vor. Nein, er stellt sich, seine Vorstellungen, seine Gesinnung und seine Performance zur Schau. Dabei steht ihm hilfreich ein Team zur Seite. Es rückt Maas als standhaften, prinzipientreuen Recken in Szene. Als jemanden mit Herz und Verstand, immer bereit, zu fast allen Themen ein Statement abzusondern. Er formt mit seinen Händen ein Herz oder kokettiert neckisch und nicht minder eitel mit der Kamera: immer auf der Jagd nach Retweets auf Twitter und Herzchen der Anerkennung auf Instagram.

Der Außenminister ist der erste richtige Netzwerker im Land. Kein solcher freilich, wie man sie ursprünglich aus der Politik kannte: als Charaktere nämlich, die Beziehungen aufbauen und sich innerhalb und außerhalb ihrer Partei vernetzen konnten. Nein, er ist ein moderner Netzwerker, was heiß, dass er die Netzwerke, im Sprachgebrauch auch oft die sozialen Netzwerke genannt, zu bedienen weiß. Hierfür sind andere Qualitäten gefragt als jene, die man als antiquierter Netzwerker brauchte. Es zählen Selbstdarstellung, Narzissmus und Gefälligkeit – und nicht etwa Offenheit und die Fähigkeit, auch anderen zuhören zu können.

Gerade bei Twitter sind die beiden zuletzt genannten Fähigkeiten absolut nicht gefragt. Besonders bei Donald Trump kann man das gut beobachten. Er entleert was in den Äther und wartet auf die Reaktionen – fallen sie gut aus, sieht er sich bestätigt. Fallen sie schlecht aus, wertet er das als Beleg für seinen richtigen Riecher.

Nein, Heiko Maas ist ganz sicher nicht Donald Trump. Aber das Prinzip ist letztlich dasselbe. Es geht um Show, um Monologisierung im Gewand vermeintlich sozialen Miteinanders und darum, sich als Image, als Brand, als politische Marke zu etablieren. Wenn die oft vernommene, etwas binsenweise These stimmt, dass wir hierzulande immer rund zehn Jahre hinter den Vereinigten Staaten nachwatscheln, dann droht uns unser Trump-Erlebnis erst noch. Was deutsche Politiker, was der aktuelle deutsche Außenminister da absondert, ist insofern bloß ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommen mag.

Politische Inhalte werden auf einer solchen Plattform austauschbar. Die Tweets der Politiker orientieren sich an dem, was gerne gesehen und emsig beklatscht und mit einem Like versehen wird. Die Inszenierung des Politiker-Egos wird zur zentralen Botschaft. Zeitigt man viele Reaktionen, so wähnt man sich auf dem richtigen Weg. Follower schleifen die Wahrnehmung des gewählten Entscheiders. Kommen Fotos an, auf denen der Minister posiert, investiert man mehr Content in die Darbietung des Fotogenen. Vermittelte Essenzen, Grundlagen der politischen Arbeit, der banale Alltag als Abgeordneter: Das rückt zunehmend in den Hintergrund.

Twitter unterstützt die Arbeit von Mandatsträgern nicht etwa, es verschiebt die Interessen und ermutigt zur inhaltlichen Verknappung und zur Selbstinszenierung. Die Regeln und Gepflogenheiten der sozialen Netzwerke produzieren Haltungsstandards, die der eigentlichen Arbeit von Volksvertretern diametral entgegenstehen.

Man könnte auch festhalten, dass sie einen Interessenskonflikt bewirken. Denn wer in Netzwerken, wer bei Twitter aktiv ist, der nimmt nach und nach eine Logik an, die mit der politischen Logik nicht vermengt werden dürfte. Wenn Gewählte eine Funktion in der Wirtschaft ausüben, verlangt man von ihnen ja auch – und völlig zurecht! – den Rückzug aus dieser Position. Um nicht in einen Loyalitäts- und Interessenskonflikt zu geraten. Die Drehtür dreht sich freilich oft noch lange hinterher, Vakanzen täten Not – aber das ist eine andere Geschichte.

Es wäre durchaus ein Schritt in die richtige Richtung, wenn Abgeordnete und Minister keinen Account pflegen (lassen) dürften. Das würde die Selbstinszenierung erschweren, thematische Ausblendungen nach Twitter-280-Zeichen-Logik ausblenden und gewählte Vertreter öffentlicher Interessen wieder mehr auf ihre tatsächliche Aufgabe konzentrieren lassen.

Wer ein Amt übernimmt, sollte dringend seinen Twitteraccount abgeben müssen. Das wäre nur demokratisch. Diesen Gedanken sollte man schnellstmöglich twittern, damit ihn auch Heiko Maas und Twitter-Kollegen zur Kenntnis nehmen können.

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