Zahnlose Tigerin

Das Entgelttransparenzgesetz nützt bisher wenig, doch es gibt Wege, es zu retten, meint Lotte Laloire

  • Lotte Laloire
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Hinblick auf ökonomische Gleichheit nützt uns Frauen die aktuelle Bundesregierung genauso wenig wie das Gendersternchen. Noch witzloser ist eigentlich nur das Entgelttransparenzgesetz. Das zeigt auch der Bericht über die Wirkung der Norm, mit dem sich Union und SPD am Mittwoch befassten. Das Scheininstrument ist seit Januar 2018 in Kraft und besagt, dass in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten Transparenz über die Bezahlung eingefordert werden kann. Der 21-prozentige Lohnabstand, der Frauen von Männern trennt (Gender-Pay-Gap), ist seitdem nicht gesunken. Und auch mit der Transparenz ist es nicht weit her. Ein Ergebnis der Studie lautet - welch Überraschung! -, dass der »Auskunftsanspruch bisher eher zurückhaltend genutzt wird«, wie Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) eingestand. Das Transparenzgesetz ist nicht nur »zu unbekannt«, wie der Report weiter feststellt. Egal, wie viel von unseren Steuern die Regierung noch für die Bewerbung verschleudert: Auskunftsberechtigt im Betrieb ist sowieso kaum eine. Bundesweit arbeiten mehr als die Hälfte aller Frauen in kleinen und mittleren Betrieben mit weniger als 200 Kolleg*innen. Nimmt man Mecklenburg-Vorpommern als Beispiel, haben dort gerade einmal 0,5 Prozent der Betriebe mehr als 200 Mitarbeitende, wie die dortige Regierung der Linksfraktion im Landtag mitteilte. Soll Transparenz für mehr Frauen gelten, gehört diese 200er-Marke aufgehoben! Der Gedanke, den die Regierung dahinter gehabt haben dürfte: Bloß die armen Kleinen vor Regulierung verschonen. Doch Gleichheit ergibt sich aus dem Grundgesetz und sie muss von allen gewährt werden, dem traditionellen Familienbetrieb ebenso wie dem innovativen Start-up. Wer es nicht finanziert kriegt, Männer und Frauen gleich zu entlohnen, kann gern Pleite machen, und tschüss.

Eine andere Frechheit am Transparenzgesetz ist, dass die Beweislast bei den Frauen liegt. Fast witzig wirkt in diesem Lichte der Hinweis der Union, das Gesetz sei zu einem »sehr frühen Zeitpunkt« bewertet worden. Denn gerade dieser Fehler war von Anfang an klar. Wieso müssen nicht einfach Unternehmen gleiche Bezahlung nachweisen - fertig, aus? Steuernzahlen, Umweltschutzmaßnahmen und andere »Eingriffe in die unternehmerische Freiheit« hält die Regierung doch auch für zumutbar. Dass es umgekehrt laufen kann, beweisen Island oder Schweden, klärt etwa die LINKE im Bundestag auf. Die gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion, Doris Achelwilm, macht viele konstruktive Vorschläge, die das missratene Gesetz zumindest korrigieren könnten. Sie fordert zum Beispiel ein Verbandsklagerecht, damit Kolleginnen gemeinsam vor Gericht ziehen können, sowie Sanktionen, um Verstöße von Betrieben zu ahnden. Werden diese Ergänzungen nicht eingefügt, bleibt Lohntransparenz für die einen ein unsichtbarer Traum und für die anderen eine zahnlose Tigerin.

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