Klimarat vom Klimarat

Französische Regierung muss für massive Senkung der CO 2 -Emissionen sorgen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unlängst auf dem G20-Gipfel im japanischen Osaka erfolgreich dafür warb, dem Klimaabkommen von Paris 2015 die Treue zu halten, stellte ihm zu Hause der eigene Klimarat gerade ein Zeugnis mit einem dicken »Ungenügend« aus. Die elf Experten - Ökonomen, Ingenieure, Klimaforscher und Wissenschaftler anderer Bereiche -, die Macron selbst in das unabhängige Fachgremium berufen hat, bescheinigen der Regierung, dass die Selbstverpflichtungen zur Eindämmung der CO2-Emissionen nicht ausreichen.

»Die Hitzewellen des Sommers sind ein Zeichen dafür, dass in immer kürzerer Folge immer stärkere Klimaveränderungen im Gange sind«, sagte die Präsidentin des Hohen Rates für das Klima, Corinne Le Quéré. »Zweifellos unternimmt Frankreich Anstrengungen, doch die sind völlig unzureichend und führen nicht zu den erhofften Ergebnissen. Solange die Maßnahmen wie bisher am Rande der Politik und des öffentlichen Lebens rangieren, besteht nicht die geringste Aussicht, dass Frankreich wie geplant bis 2050 ›CO2-neutral‹ wird.« Besonders krass seien die Versäumnisse auf dem Gebiet der Energieerzeugung durch Windkraft und Sonnenwärme, wo Frankreich weit hinter anderen europäischen Ländern wie Deutschland und Großbritannien rangiere.

Der Rat prangert an, dass im Verkehrssektor die Umstellung des Antriebs von Verbrennungs- auf Elektromotoren viel zu langsam vonstattengehe. Auch würden Gütertransporte nach wie vor kaum auf die Schiene verlagert. Im Bauwesen mangele es an effizienten Techniken und Anreizen, um besser zu isolieren, sodass die Wärmeabstrahlung der Häuser immer noch für 20 Prozent der in Frankreich gemessenen CO2-Emissionen verantwortlich sei. Die Umstellung veralteter Öl- und Kohleheizungen auf Gas- oder Elektroheizungen erfolge schleppend, weil finanzielle Anreize oder Strafandrohungen für Hausbesitzer fehlten.

Will Frankreich tatsächlich bis 2050 die CO2-Neutralität erreichen, müssen laut dem Klimarat die Emissionen mindestens auf ein Sechstel der heutigen Menge reduziert sowie der Rest durch zusätzliche Wälder und Feuchtgebiete oder durch unterirdische Speicher gebunden werden. Nur so bestehe Aussicht darauf, die globale Temperatursteigerung bis Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es 2015 der Pariser Klimagipfel als Ziel ausgegeben hat. Dafür müsste Frankreich seine CO2-Emissionen jährlich um 1,9 Prozent und ab 2025 sogar um 3,5 Prozent senken. Tatsächlich jedoch lag die Reduktion im Zeitraum von 2015 bis 2018 nur bei jährlich 1,1 Prozent. Um den Rückstand aufzuholen, müsste bis 2025 die jährliche CO2-Senkung verdreifacht werden.

Der Klimarat kritisiert die »Vogel-Strauß-Taktik« der Regierung, die bei der Bilanzierung der CO2-Emissionen den Überseehandel per Schiff oder Flugzeug außen vor lässt. Wenn man die so »importierten« Klimagase berücksichtige, entfielen auf jeden Franzosen jährlich nicht 6,6 Tonnen, sondern 11 Tonnen CO2. Der Rat regt an, dass jedes neue Gesetz, jedes Regierungsdekret und jede Verordnung die Konsequenzen für den Klimawandel berechnet und entgegenwirkende Maßnahmen beinhaltet.

Auf die Kritik muss die Regierung jetzt reagieren. Sie ist verpflichtet, entsprechende Schritte einzuleiten und darüber binnen sechs Monaten dem Parlament berichtzuerstatten. Die jetzt beschlossene Steuer auf Flugtickets kann nur der Anfang sein.

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