Beer pressure

Abgebügelt über die Pflicht zum Trinken

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hey, komm saufen, alte Ratte, Saufen ist das Geilste, wir sollten alle saufen, es ist so super, einer geht noch rein, trink doch eine Met, stell dich nit esu ahn!!!« Jajaja. Wir haben es begriffen: Alkohol ist einfach nur supercool, und wir sind alle eine große Studentenverbindung. Wenn es draußen lange hell ist, wird wieder viel gesoffen. Wenn es früh dunkel wird, wird auch wieder viel gesoffen. Es wird einfach immer viel gesoffen. In beiden Fällen wegen »Ja, was soll man denn sonst machen?«, weil es entweder zu warm oder zu kalt für Bewegung ist. Mit Schnaps kann man sich dann trotzdem immer irgendwie bewegen, und alle müssen mit. Klar, es macht ja auch Spaß, angeduselt durch die Gegend zu wuseln, Leute zu treffen, Leute kennenzulernen, zu knutschen, zu labern, zu tanzen, zu umarmen, zu sagen, was man schon immer mal sagen wollte, sich zu trauen, sich zu verlieren ... Ach, und so weiter, die meisten wissen um die Vorteile von Rausch. Und natürlich auch um die Nachteile. Die Scham, die Reue, die Übergriffigkeiten, die Maßlosigkeit, den Kater, die Suchtgefahr. Das alles wird viel besprochen; selbst und vor allem, wenn man gerade dabei ist, zu trinken, wird viel über das Trinken an sich gesprochen und das eigene Trinkverhalten analysiert. Dementsprechend irritierend sind für die Meute die Leute, die nichts trinken oder nichts trinken wollen.

Alle müssen sich positiv oder negativ zu Alkohol verhalten, weil Alkohol ist, was alle machen und nur dann nicht machen, wenn sie ein Problem haben. Saufen ist so normal, dass sich jeder Mensch, der mal nicht saufen will, die ganze Zeit fragen lassen muss, warum gerade nicht gesoffen wird - weil, das kann ja nicht sein. Männer gelten als Langweiler, als alt und nicht mehr so cool, als Lusche, weil sie nicht mithalten können, Frauen gelten als schwanger. Es kann nicht sein, dass jemand eben einfach gerade keine Plörre in sich reinkübelt, obwohl er oder sie kann. Also wird immer wieder gefragt, gefragt, gefragt und alle müssen sich zum Thema verhalten, verhalten, verhalten. Selbst wenn die Antworten sehr intim ausfallen würden oder es gar keine Antworten gibt, man muss Rede und Antwort stehen. Und wenn keine zufriedenstellende Antwort kommt (es gilt eigentlich nur irgendwas mit Lebensgefahr), dann muss motiviert werden. Komm schon!

Vorschlag: Alle unbelehrbaren Nachfrager und Alkoholanheizer (und wir waren das wohl fast alle schon mal) müssen nach jedem Bohren und nach jeder Aufforderung selbst einen Schnaps trinken. Bis sie so besoffen sind, dass sie gar nichts mehr merken, und dann kommen sie vielleicht darauf, dass man manchmal eben keine Lust hat, irgendwas zu erklären oder »jetzt nur noch einen letzten Schnaps« zu saufen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal