nd-aktuell.de / 07.08.2019 / Berlin / Seite 12

Vorkauf statt Hausverkauf

Mieter*innen in Kreuzberg kämpfen trotz Problemen wegen Sanierungsstaus weiter gegen Verdrängung

Vanessa Fischer

Dass ihnen das Baugerüst vor ihrem Wohnhaus noch einmal nützlich sein könnte, hätten die Mieter*innen des Hauses am Heckmannufer 8 in Kreuzberg nicht gedacht. Seit vier Jahren steht es bereits vor dem Gebäude und soll Fußgänger*innen »vor herunterfallenden Balkonbrocken schützen«, wie Mieter Georg Klein erklärt.

Seit Kurzem hängen daran nun bunte Transparente: »Hier wohnen Menschen - und Katzen« ist auf einem zu lesen. Die Menschen, das sind die 16 Mietparteien, die derzeit in dem Haus im Milieuschutzgebiet leben: Familien mit Kindern, Künstler*innen, Studierende, Angestellte, Rentner*innen und Alleinerziehende. Mit der bunten Mischung - darunter viele Geringverdienende - so Klein, könnte es jedoch bald vorbei sein: Anfang Juni ist das Haus im Wrangelkiez nach einer Scheidung für 3,3 Millionen Euro an unbekannte Investoren in München verkauft worden. Gleich darauf erhielten die Mieter*innen eine Mieterhöhung - noch vor dem Beschluss der Eckpunkte des Mietendeckels am 18. Juni. Weil die Investoren die vom Bezirk vorgelegte Abwendungsvereinbarung ablehnten, fürchten die Mieter*innen jetzt nicht nur mietsteigernde Modernisierungen, sondern auch eine schnelle Umwandlung in Eigentumswohnungen.

Diese wolle man in jedem Fall verhindern, erklärt Klein. Die Hausgemeinschaft habe deshalb den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gebeten, von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Der sei daran zwar durchaus interessiert, die Sache habe allerdings einen Haken: Da die vorherigen Eigentümer jahrelang nichts in Stand setzen ließen, ist das Haus stark sanierungsbedürftig. »Die ehemaligen Eigentümer waren zwar nett, haben das Haus aber ziemlich vernachlässigt«, sagt Klein. »Der Sanierungsstau fällt uns jetzt auf die Füße.«

Fest steht, wer auch immer das Haus am Ende kaufen wird, muss erheblich investieren. Die landeseigene GEWOBAG hatte den Kauf deshalb bereits ablehnt.

Den Mieter*innen bleibt damit wie so oft als letzte Hoffnung nur die »DIESE EG«. Dafür müssten sie allerdings etwa zur Hälfte zu Genoss*innen werden und für ihre Wohnungen einen Genossenschaftsanteil von 500 Euro pro Quadratmeter einlegen, wie in einer Mitteilung der Hausgemeinschaft zu lesen ist. Für viele der bisherigen Mieter*innen wäre das viel zu viel. »Wir sind bereit, finanzielle Opfer zu bringen, aber es gibt auch Grenzen: Es geht nicht, dass alles auf die Mieter abgewälzt wird«, sagt Klein. »Ohne die Unterstützung des Senats werden wir das nicht hinkriegen.« Tatsächlich sind Zuschüsse an Wohnungsgenossenschaften mit dem Senatsbeschluss vom 23. Juli theoretisch möglich. In einem Schreiben an Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), das »nd« vorliegt, fordert die Hausgemeinschaft einen Zuschuss des Senats in Höhe von 20 Prozent des Kaufpreises inklusive Erwerbs-Nebenkosten, um »den Kauf stemmen zu können«.

In der Pressestelle der Senatsverwaltung für Finanzen ist von solch einem Schreiben zunächst nichts bekannt. Auch über den gewünschten Prozentsatz des Zuschusses in Höhe von 20 Prozent zeigt sich ein Sprecher überrascht. »Wenn alle anderen Fördermöglichkeiten abgeschöpft sind, kann der Senat in der Regel bis zu 10 Prozent des Kaufpreises bezuschussen«, sagt er dem »nd«.

Für die Mieter*innen des Heckmannufers wird es damit knapp: Schon am 12. August ist der Stichtag für den Vorkauf. Aufgeben wollen sie aber dennoch nicht: Bereits im Frühjahr hatten sie durch Proteste die Zwangsversteigerung des Hauses verhindern können. Am Freitag wollen sie nun unter dem Motto »Vorkauf statt (H)ausverkauf!« bei einem Hoffest auf die akute Gefahr ihrer Verdrängung aufmerksam machen.