Deutschland muss Flüchtling aus Griechenland zurückholen

Seehofers Flüchtlingsabkommen mit Griechenland und Spanien steht nach Gerichtsbeschluss erneut in der Kritik

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die vor einem Jahr von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf den Weg gebrachten Flüchtlingsabkommen mit Griechenland und Spanien stehen nach einer Gerichtsentscheidung erneut in der Kritik. Das Verwaltungsgericht München ordnete in einer am Mittwoch bekannt gewordenen Eilentscheidung an, dass ein auf dieser Grundlage nach Griechenland abgeschobener Asylbewerber aus Afghanistan nach Deutschland zurückgeholt werden muss. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und die Linkspartei erneuerten daraufhin ihre grundsätzliche Kritik an den Abkommen.

Im Sommer vergangenen Jahres hatte es einen heftigen Streit innerhalb der Bundesregierung über Grenzkontrollen und die Abschiebung von Flüchtlingen gegeben, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag stellten. Schließlich kam es lediglich zu Einzelabkommen mit Griechenland und Spanien, auf deren Grundlage in den folgenden Monaten auch nur wenige Menschen in diese EU-Staaten zurückgebracht wurden.

Auf Grundlage des Verwaltungsabkommens wurde im Mai ein afghanischer Asylbewerber von der Bundespolizei nach einer versuchten Einreise über die österreichisch-deutsche Grenze nach Griechenland überstellt. Das Verwaltungsgericht München verpflichtete nun nach eigenen Angaben am Donnerstag vergangener Woche die Bundesrepublik, den Asylbewerber nach Deutschland zurückzuholen. Er befindet sich demnach derzeit in Abschiebehaft in Griechenland.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass dem Mann das Recht auf inhaltliche Prüfung seiner Asylgründe verwehrt werden könnte. Es sei nicht gesichert, dass diese in Griechenland oder einem anderen EU-Staat jemals geprüft worden seien. Eine solche Prüfung sei auch künftig in Griechenland nicht zu erwarten, weil eine Abschiebung nach Afghanistan bereits eingeleitet worden sei.

Generell stellt das Gericht infrage, ob die Bundespolizei überhaupt zuständig ist für Rückführungen nach Griechenland als nicht an Deutschland grenzender Staat. Entsprechend seien die Zuständigkeiten per Verordnung geregelt. »Diese Regelung ist auch sinnvoll, weil die Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-III-Verordnung eine komplexe Materie darstellt, die von Nicht-Juristen bzw. darin ungeschulten Personen im Rahmen eines auf höchste Geschwindigkeit ausgelegten Einreiseverweigerungs- und Zurückschiebungsverfahren(s), nicht ausreichend geprüft werden können«, heißt es in dem Beschluss.

Das Verwaltungsgericht wies aber ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine Eilentscheidung handle und noch keine abschließende Beurteilung des Handelns der Bundespolizei oder gar des Verwaltungsabkommens mit Griechenland vorgenommen worden sei.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl sah sich aber dennoch in ihrer grundsätzlichen Kritik an den Flüchtlingsabkommen bestätigt. »Die Entscheidung zeigt, dass geltendes Recht nicht durch abstruse Wunschvorstellungen umgangen werden kann«, erklärte Pro-Asyl-Rechtsexpertin Bellinda Bartolucci. Europarecht gelte auch an deutschen Grenzen, die für Asylverfahren nicht zuständige Bundespolizei könne das nicht einfach ignorieren.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, forderte ein Ende der »rechtswidrigen Vereinbarungen« mit Griechenland und Spanien und einen Stopp der Zurückweisungen an den Grenzen. Seehofer habe für »eine rechtswidrige Maßnahme getrommelt, um sich auf dem Rücken schutzsuchender Flüchtlinge bei Rechtspopulisten lieb Kind zu machen«, warf die Linken-Politikern dem Innenminister vor. Die »rechtswidrige Politik der Abschottung« müsse sofort beendet werden. Agenturen/nd

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