Viel Power, wenig Verstand

Christoph Ruf ärgert sich über die Versuche der 1860-Chefs, Münchner Fans mithilfe des Markenrechts zu schikanieren

Es ist schon verwunderlich, was sich derzeit bei 1860 München abspielt. Da debattiert halb Fußballdeutschland über Chemnitz, Schalke und die Frage, wie man Menschen wie Daniel Frahn oder Clemens Tönnies begegnen soll. Menschen also, die sich mit einem Menschenbild herumplagen, das aus den Kolonialzeiten stammt. Menschen, die Freundschaften zu Menschen pflegen, die sich gerne weiter NS-Boys nennen würden.

Natürlich herrscht allerorten ein wenig Ratlosigkeit. Aber Fans, die sich aus eigenem Antrieb deutlich gegen Dummheit und Intoleranz positionieren, die hätte man angeblich dennoch überall gerne. Außer bei 1860 München, wo der Geschäftsführer der Merchandising-GmbH den »Löwenfans gegen rechts« (LfgR) den Fehdehandschuh zugeworfen hat: Anthony Power - ja, der Mann hat sich nicht nur einen Künstlernamen gegeben, sondern auch noch genau diesen - hat Klage gegen die Fans eingereicht, die für ihr Engagement gegen rechts schon von der Stadt München und vom DFB ausgezeichnet wurden.

Wieso? Die LfgR haben seit ihrer Gründung vor 18 Jahren ein Logo. Doch genau dieses Logo missfällt Power nun. Nicht, weil es eine Faust zeigt, die ein Hakenkreuz zerschlägt. Sondern weil daneben das Vereins-Logo abgebildet ist. Power sieht darin einen Verstoß gegen die Markenrechte seiner Company. Formal ist die Klage wohl zulässig, auf Basis des Markenrechtes werden allerdings in der Regel windige Gestalten belangt, die auf Kosten der Vereine einen schnellen Euro verdienen wollen.

Bundesweit ist kein Fall bekannt, bei dem Fans, die das Vereinslogo auf Shirts oder Aufkleber montieren, deswegen vom Verein Ärger bekommen hätten. Das wäre ja auch umso schwachsinniger, als dann automatisch die Frage aufs Tableau käme, wem solch ein Fußballverein denn gehört. Etwa nicht auch den Fans, zumindest im ideellen Sinne?

Nun sind das alles Fragen, mit denen sich Power wohl noch nicht so oft befasst hat. Der Mann, der der Münchener Statthalter des jordanischen Geldgebers Hasan Ismaik ist, dürfte noch vor einigen Jahren mit ziemlicher Sicherheit nicht gewusst haben, dass es den TSV 1860 München respektive dessen Wappen überhaupt gibt. Wie Fans ticken, hat der Ismael-Clan sowieso erst mühsam lernen müssen. Und es immer noch nicht verstanden. Trotz der Hilfe von offiziellen Agenturen und inoffiziellen Auftrags-Bloggern.

Der Hintergrund der Provinz-Posse aus der bayrischen Landeshauptstadt ist dann auch natürlich nicht die Diskussion um die Verwendung eines Logos - andere Löwen-Fangruppierungen bleiben ja nach wie vor unbelangt. Vielmehr geht es um die investorenkritische Haltung der »Löwenfans gegen rechts«, die beim vorletzten Heimspiel Anti-Ismaik-Shirts zu Gunsten wohltätiger Zwecke und dem 60-Nachwuchs verkauften - was der Investorenseite verständlicherweise weniger gut gefiel. Dass es in Deutschland selbst im Fußball so etwas wie Meinungsfreiheit gibt, scheint man zu wissen, also probiert man es übers Markenrecht.

Vor Gericht dürfte dieser Versuch scheitern. Falls nicht, wären allerdings wohl hohe Geldstrafen fällig. Und das wäre ein herber Schlag für eine Organisation, die sich auf die einzige Art und Weise gegen rechts engagiert, die Erfolg verspricht. Als Fans, von der Basis aus. Im Gespräch und in der Konfrontation mit anderen Fans. Und dass, während es in der erstaunlich großen Phalanx der vermeintlichen Antifaschisten immer noch sehr viele Organisationen und Gruppierungen gibt, die meinen, dass schlichte Bekenntnisse und Parolen schon eine Maßnahme gegen rechts wären. Ganz als ob ein Mitglied der Identitären Bewegung ins Nachdenken käme, wenn die Spieler einen zehn Quadratzentimeter großes Gegen-rechts-Logo auf dem Ärmel tragen. Spieler wohlgemerkt, von denen der Großteil von der jeweiligen Pressestelle einen Maulkorb verpasst bekommt, weil die Kollegen wissen, dass im Kader meist nur eine kleine Minderheit in der Lage ist, halbwegs glaubwürdig zu erklären, warum sich der Verein von Rechtsaußen abgrenzt.

Auch in der Kurve von 1860 gibt es Probleme. Wenn aber in den letzten Jahren alle Versuche von rechts gescheitert sind, die Deutungshoheit zu gewinnen, dann liegt das nicht zuletzt daran, dass die demokratische Seite hellwach und gut organisiert ist.

Wenn es um Fußball geht, gibt es nicht allzu viel, was Hasan Ismaik und seine Claqueure verstehen. Oft ist das belustigend - hier ist es ein Skandal.

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