Waffenlobby im Regierungsviertel

Kritische Initiativen nehmen auf einem Rundgang Rüstungskonzerne ins Visier

  • Georg Sturm
  • Lesedauer: 3 Min.

Keine hundert Meter Luftlinie vom Bundestag entfernt, haben zahlreiche Lobbyrepräsentanzen großer Rüstungsunternehmen ihren Sitz. Am Palais am Pariser Platz, startete der gemeinnützige Verein LobbyControl am Montagvormittag daher eine neue Führung zur Rüstungslobby. Stadtführer Martin Jähnert steht vor den Logos der Konzerne und heftet daran Bilder der Produkte, die diese herstellen: Marineschiffe bei German Naval Yards, Raketen bei Diehl, Panzer »Leopard« bei Krauss-Maffei Wegmann und Bomben bei Rheinmetall. Bei diesen Bomben handele es sich um dieselben, die aktuell im Jemen von Saudi Arabien eingesetzt würden und in der Vergangenheit häufig zivile Ziele wie Schulen getroffen hatten, erklärt er.

Über 200 Stadtführungen hat Jähnert für LobbyControl seit 2015 bereits gemacht. Der Verein veranstaltet seit mehreren Jahren solche Stadtführungen in Berlin. Das Ziel: Aufzuzeigen, wie Unternehmen, PR-Agenturen und Verbände Einfluss auf die Politik nehmen. Anders als die klassischen Führungen nimmt dieser Spezial-Rundgang nicht die üblichen Themen - Tabaklobby, Autoindustrie und Immobilienwirtschaft - in den Blick, sondern fokussiert sich ausschließlich auf die Rüstungslobby. Durchgeführt werden die Rundgänge gemeinsam mit der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK). Der jährliche Wettbewerb »Kunst im Untergrund« des basisdemokratischen Vereins läuft in diesem Jahr unter dem Motto »Up in Arms«.

Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik seien die Transparenzprobleme besonders groß, erklärt Jähnert. Der Bundessicherheitsrat, der für die Genehmigung der Rüstungsexporte verantwortlich ist, tage geheim. Zudem handele es sich im Bereich der Rüstung um besonders große Aufträge. Allein in diesem Jahr umfasst der Verteidigungshaushalt 43 Milliarden Euro. »Hier lohnt sich die Lobbyarbeit für die Konzerne«, sagt Jähnert. Für die Rüstungsindustrie sei der Staat in Deutschland der einzige Käufer. Dieser wiederum hänge für die Aufrechterhaltung der Bundeswehr von der Rüstungsindustrie ab. Intransparenz, viel Geld und gegenseitige Abhängigkeit - Jähnert spricht von einer »unheilvollen Konstellation«.

Wie eng Politik und Waffenlobby verstrickt sind, wird an der nächsten Station deutlich: Unter den Linden sitzt der Förderkreis Deutsches Heer. Dem Verein gehören über einhundert Unternehmen aus Rüstungsindustrie und verwandten Wirtschaftszweigen an, wie auf der Vereinsseite einzusehen ist. Das Brisante: Neben Rüstungslobbyisten und Offizieren gehören - Lobbycontrol zufolge - ebenfalls sechs Bundestagsabgeordnete aus dem für Rüstungsfragen zuständigen Verteidigungsausschuss dem Förderkreis an. Diese seien durch die Weitergabe interner Informationen hilfreich für die Rüstungslobby und könnten Einfluss auf Vergabeverfahren nehmen, erklärt Jähnert. Vizepräsident des Vereins ist derzeit der Abgeordnete Oswin Veith (CDU).

Nicht nur die Politik, auch die Kunst ist nicht vor Einflussnahme gefeit. Johanna Werner von der nGbK erklärt am Palais Populaire, einem Ausstellungshaus der Deutschen Bank, wie sich Unternehmen und Banken, die in Rüstung investieren, durch Förderungen im Kunstbereich reinwaschen. »Protest gegen das Kultursponsoring dieser Unternehmen ist in Berlin selten«, sagt Werner. Um diesem Trend entgegenzuwirken, beschäftigt sich der Kunstwettbewerb in diesem Jahr mit den Strukturen des Rüstungshandels in der Hauptstadt. Diese sollen mit den Mitteln der Kunst sichtbar gemacht werden. Für den September sind mehrere Interventionen im öffentlichen Raum geplant. Am 27. September eröffnet zudem die Ausstellung »Up in Arms« im Kunstraum Bethanien in Kreuzberg.

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