• Berlin
  • »Marsch für das Leben«

Für Liebe ohne Bevormundung

Am Samstag protestiert ein breites Bündnis gegen den »Marsch für das Leben«

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir sind immer wieder überrascht, wie wenig Wissen über dieses Thema vorhanden ist«, sagt Stefan Nachtwey vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. »Dass Abtreibungen in Deutschland illegal sind, wissen die Wenigsten.« Das will das Bündnis aus Beratungsstellen, feministischen Gruppen, Verbänden, Gewerkschaften und Parteien ändern. Wenn an diesem Samstag wieder extrem religiöse, fundamentalistische, konservative sowie rechtsnationale Abtreibungsgegner*innen mit ihren weißen Kreuzen beim sogenannten »Marsch für das Leben« durch Berlin-Mitte ziehen, wird das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung nicht weit sein. Mit buntem Protest und Aufklärung wollen sie sich den selbst ernannten Lebensschützer*innen entgegenstellen.

Unter dem Motto »Leben und Lieben ohne Bevormundung« wollen auch in diesem Jahr Tausende Menschen ein Zeichen für eine freie und selbstbestimmte Entscheidung bei sexuellen und familienplanerischen Fragen setzen. »Ursprünglich war unser Bündnis eine reine Reaktion auf den Marsch der Abtreibungsgegner*innen, mittlerweile haben wir eine eigene Agenda und bringen auch Inhalte in die Öffentlichkeit«, so Stefan Nachtwey. Deswegen soll es zusätzlich zur Kundgebung einen ganzen Aktionstag geben: »Wir haben dafür eine schöne Mischung aus Kultur, Musik und Redner*innen zusammengestellt.« Der Aktionstag am Samstag in Berlin ist der Startschuss für eine bundesweite Aktionswoche unter dem Motto »Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch!«

»Wir fordern die Streichung der Paragrafen 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch«, sagt Nachtwey, der Geschäftsführer eines Berliner Familienplanungszentrums ist, in dem auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Die jüngste Reform des Paragrafen 219a, der das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelt - laut Kritiker*innen de facto ein Informationsverbot - ist in Nachtweys Augen nicht nur unzureichend, sondern »völlig fehlgeleitet« und gehöre daher abgeschafft. »Der Rückhalt und die Mehrheiten für eine Streichung sind da«, glaubt Nachtwey. Er hofft dafür auf die Zeit nach der großen Koalition.

Den 50 Mitgliedsorganisationen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung geht es jedoch nicht nur um die Familienplanung, sondern auch um selbstbestimmte Sexualität, individuelle Lebensentwürfe, geschlechtliche Vielfalt und ein offenes und buntes Berlin. Neben Redebeiträgen zur nationalen und internationalen Situation beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, bei der auch die verurteilte Ärztin Bettina Gaber sprechen wird, wird daher der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg auch über die Bedrohung und Diskriminierung von queeren Menschen informieren.

Besondere Sorge macht Stefan Nachtwey der gesellschaftliche Rechtsruck, von dem auch die selbst ernannten Lebensschützer*innen profitieren. Diese seien nicht nur in konservative, sondern bis in rechte und rechtsextreme Strukturen hinein eng vernetzt. Neben diesen guten Kontakten in die Politik sind die Abtreibungsgegner*innen auch in der Zivilgesellschaft zunehmend präsent: »Seit Kurzem gibt es in Berlin die Beratungsstelle Pro Femina. Das macht uns große Sorgen, denn das hört sich erst mal super an und die Menschen wissen gar nicht, was da dahintersteckt.« Kritiker werfen Pro Femina vor, dass es dort weniger um eine unabhängige Beratung der ungewollt Schwangeren gehe, als darum, sie dazu zu bewegen, die Schwangerschaft auszutragen. »Umso wichtiger ist es, dass wir weitermachen und am Samstag ganz viele Menschen für sexuelle Selbstbestimmung auf die Straße gehen«, so Nachtwey.

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