Bad Freienwalde an der Ostseeküste

Wetterdienst und Umweltministerium legen Klimareport für Brandenburg vor.

Wenn sich beim Klimaschutz nichts Radikales tut, dann steigt der Meeresspiegel der Ostsee bis zum Ende des Jahrhunderts um einen Meter. Das hätte gravierende Auswirkungen auf Brandenburg. Es wäre dann kein Binnenland mehr. Die Stadt Bad Freienwalde würde an der Ostseeküste liegen. Ungefähr in der Gegend würde sich auch die Mündung der Oder befinden. Das Oderhaff, dessen Wellen gegenwärtig an die Insel Usedom schlagen, würde sich nach Süden bis in den Nationalpark Unteres Odertal verlagern. Denn dort befindet sich in einer Flusskurve eine ausgedehnte Senke, die mit Wasser volllaufen würde.

Auch jetzt schon zeigt sich der Klimawandel. Am 29. Juli 2017 überschwemmte ein Starkregen weite Teile Brandenburgs. Am 26. Juni 2018 gab es mit 38,6 Grad Celsius einen Hitzerekord. So heiß ist es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 in Brandenburg noch nie gewesen. Auch im Jahresmittel - es lag 2018 bei 10,8 Grad - war es hier wärmer als je zuvor. Brandenburg bewegte sich damit 0,3 Grad über dem Bundesdurchschnitt. Lediglich in Berlin - eine Großstadt heizt sich schneller auf - war es mit 11,3 Grad im Jahresmittel noch wärmer.

Klimareport

Der Deutsche Wetterdienst prognostiziert für das Land Brandenburg einen Anstieg der Temperaturen um 1,1 bis 1,5 Grad Celsius im Zeitraum von 2021 bis 2050. Hierbei ist noch relativ unerheblich, ob die im Dezember 2015 getroffenen Vereinbarungen des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten werden oder nicht.

Für den Zeitraum 2071 bis 2100 kommt es sehr darauf an, ob die Klimaschutzziele erreicht werden. Werden sie erreicht, dann würde sich die Lufttemperatur im Jahresmittel um lediglich 1,1 Grad Celsius erhöhen. Das wären dann 1,7 Grad mehr als in der vorindustriellen Phase. Bei einem Weiter so wie bisher würde der Temperaturanstieg dagegen satte 3,8 Grad betragen.

In den Jahren 1961 bis 1990 sind in Brandenburg im Jahresdurchschnitt 558 Millimeter Niederschlag gefallen. Das entspricht 558 Liter je Quadratmeter. Im Trend gibt es heute drei Prozent mehr Niederschlag als noch 1881. Die Lage hat sich insofern kaum verändert. Auch für die Zeit bis zu den Jahren 2050 und 2100 wird nur eine geringe Zunahme um drei bis fünf Prozent beziehungsweise um sechs Prozent erwartet. Zugenommen haben aber schon extreme Wetterereignisse. So gab es im Jahr 2007 mit 789 Millimetern den meisten Niederschlag und im Jahr 2018 mit 390 Millimetern den geringsten. af

Beim Klimawandel gehört Brandenburg zu den Gebieten in Deutschland, die sich zu trockenen Zonen entwickeln. Zwar bleiben die Niederschlagsmengen im Jahresmittel ungefähr gleich, und es gibt tendenziell sogar etwas mehr Regen als früher. Doch im Frühjahr, also ausgerechnet in der Vegetationsperiode, bleibt es oft trocken - mit verheerenden Folgen für die Landwirtschaft, wie Axel Steffen erläutert. Er leitet im brandenburgischen Umweltministerium die für den Klimaschutz zuständige Abteilung. Dazu komme noch, dass Brandenburg von Sandböden geprägt sei, sagt Steffen. Diese Sandböden können Feuchtigkeit viel schlechter speichern als beispielsweise die fruchtbare Muttererde in der Magdeburger Börde.

Am Freitag legte das Umweltministerium zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) den ersten Klimareport für das Land Brandenburg vor. Solche Klimareporte sind zuvor vom DWD nur für Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern erstellt worden, also für Länder an den Meeresküsten. Brandenburg sei das erste Binnenland, das so etwas machte, erklärte Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD). Doch wenn keine energischen Maßnahmen ergriffen werden, ist Brandenburg in 80 Jahren kein Binnenland mehr.

Mit Zahlen und Prognosen, die sich von den jetzigen im Prinzip kaum unterscheiden, hatte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bereits 2003 Warnungen ausgesprochen. Die Landespolitik hat damals wenig bis überhaupt nicht darauf reagiert. Umweltminister Vogelsänger gibt nun zu, dass man seinerzeit ganz anders hätte handeln müssen. Doch andere Länder hätten das auch nicht getan, rechtfertigt er hilflos die Politik seiner Partei. Die SPD hatte damals noch sehr lange Braunkohle in der Lausitz fördern wollen. Trotzdem will der Minister die Vorwürfe, Brandenburg sei tatenlos geblieben, »nicht so stehen lassen«. Er verweist auf das Moorschutzprogramm und die Nachhaltigkeitsstrategie von 2014. Diese Dinge hat allerdings seine Amtsvorgängerin Anita Tack (Linkspartei) angeschoben. Vogelsänger hatte, als er sie ablöste, sogar den Nachhaltigkeitsbeirat aufgelöst, an dessen Spitze der damalige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber, gestanden hatte.

»Jetzt sind die Alarmsignale da«, muss Minister Vogelsänger eingestehen. Auf der Autobahn 10 ist wegen extremer Hitze im vergangenen Jahr sogar einmal die Fahrbahn aufgeplatzt, so dass ein Abschnitt des Berliner Rings bei Niederlehme gesperrt werden musste. 489 Waldbrände hat es 2018 gegeben. So viele wie nie zuvor.

»Wir haben schon sehr viel CO2 in die Atmosphäre gepumpt und müssen ganz schnell damit aufhören«, sagte Frank Kreienkamp, Leiter des regionalen DWD-Klimabüros in Potsdam, nachdem er am Freitag in der Staatskanzlei die Details des Klimareports präsentiert hatte. Von 1881 bis 2018 ist das Jahresmittel der Lufttemperatur in Brandenburg um 1,3 Grad angestiegen. »Der global zu beobachtende Trend der Erwärmung der Atmosphäre ist überlagert durch die Variabilität des Klimasystems, wegen der es immer wieder Zeiträume gab, in denen der Temperaturanstieg stagnierte, oder sogar Phasen, in denen die Temperatur kurzfristig zurückging«, steht in dem 40 Seiten umfassenden Report. Doch langfristig betrachtet zeigt sich die Entwicklung deutlich: Zwischen 1910 und 1950 und seit den 1980er Jahren wird es immer wärmer.

Im Landkreis Oberhavel beantragt die Linksfraktion jetzt, den Klimanotstand auszurufen. Mit diesem Ansinnen soll sich der Kreistag in der kommenden Woche befassen. »Wir wollen mit unserem Antrag auch ganz konkrete Maßnahmen erreichen und fordern deshalb den Kreis auf, ein Klimakonzept zu erarbeiten«, erklärte der Abgeordnete Ralf Wunderlich. Künftig sollten alle Beschlüsse hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima geprüft werden, findet er.

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