»Heute ist nur der Anfang«

In Berlin soll am Freitag eine Viertelmillion Menschen für den Klimastreik auf den Straßen gewesen sein. Demos und Blockaden gab es in über 500 Städten.

  • Lili Geiermann & Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer nicht hüpft, der ist für Kohle», schallt es aus Zehntausenden Mündern. Doppelt so viele Beine springen kurz darauf in die Luft. Der Platz um das Brandenburger Tor ist am Freitagmittag voll mit Menschen. Sprecher des Berliner Klimastreik-Bündnisses, vor allem getragen von Schüler*innen und Studierenden der Bewegung «Fridays for Future» (FFF), sprechen von über 270 000 Teilnehmer*innen, die Polizei von «einigen Zehntausend». Klar ist, die Berliner Demonstration dürfte bundesweit die größte ihrer Art am Freitag gewesen sein. Von Kita-Kindern über Jugendliche bis zu Erwachsenen sind alle Altersgruppen dabei. «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut», skandiert die Menge in Richtung Kanzleramt, wo zur gleichen Zeit das sogenannte Klimakabinett tagte. Plakate wie «Dieser Planet wird heißer als mein Freund» wechseln sich ab mit dramatischer Symbolik: Zwei Männer und eine Frau unter einem Galgen mit Schlinge um den Hals stehen auf abtauenden Eisklumpen.

«Ich streike, damit die Politik wirklich mal etwas entscheidet, um die Umwelt zu schützen, sagt die zehnjährige Schülerin Franka. »So wie die Politiker gerade handeln, ist es ziemlich blöd für unsere Umwelt«, erklärt der elfjährige Jonah. »Wenn wir streiken, können wir denen klar machen, dass die etwas ändern müssen.« Petra will ebenfalls ein Zeichen setzen. Die 36-Jährige ist Mutter von vier Kindern und Hebamme. »Ich möchte einfach, dass die Kinder ohne Überhitzung oder Müllkatastrophen aufwachsen können.«

Der Streiktag

Rund um den Globus sind am Freitag laut Veranstaltern mehr als eine Million Menschen dem Aufruf zu einem weltweiten Klimastreik gefolgt. In Australien, Asien, Afrika und Europa gingen Schüler, Studenten und Unterstützer auf die Straße, um stärkere Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu fordern. Weltweit sollten mehr als 5000 Protestaktionen stattfinden. Der Startschuss fiel bei Tagesanbruch im Pazifik. Auf den vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inseln Vanuatu, den Salomonen und Kiribati sangen Kinder »Wir sinken nicht, wir kämpfen«. In Australien traten mehr als 300 000 Kinder, Eltern und Unterstützer in den Klimastreik. In Uganda versammelten sich Hunderte Schulkinder am Stadtrand von Kampala, um von der Regierung mehr Engagement im Klimaschutz zu fordern. Eine der größten Kundgebungen sollte in New York stattfinden, wo am Montag der UN-Klimagipfel startet. 1,1 Millionen Schüler erhielten die Erlaubnis, für die Teilnahme an der Demonstration am Freitag dem Unterricht fernzubleiben. nd

Bei der Auftaktkundgebung weist eine Rednerin auf die systemischen Ursachen für die Klimakrise hin. » Man kann nicht über Klimaschutz sprechen, ohne über Kapitalismus zu reden«, tönt es von der Bühne. Ein Klimaforscher bestärkt die Schüler*innen. »Die Wissenschaft steht hinter euch.« Die Kapitänin Carola Rackete fordert derweil noch stärkere Proteste. Die Verantwortung für die Klimakrise dürfe nicht nur auf den Schultern der Kinder und Jugendlichen lasten. »Wir Erwachsenen müssen ebenso konsequent protestieren.« Die Demonstration läuft bis zur Siegessäule im Tiergarten. »Die Streiks werden weitergehen, heute ist nur der Anfang«, verspricht FFF-Sprecherin Luisa Neubauer.

In ganz Deutschland gingen nach Angaben der Veranstalter am Freitag rund 1,4 Millionen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße. In mehr als 500 Städten waren Demonstrationen und Aktionen geplant. In Hamburg waren es laut Polizeiangaben rund 70 000 Teilnehmer, in Köln ebenfalls mehrere Zehntausend Menschen. Bereits seit den Morgenstunden gab es in zahlreichen Städten Demonstrationen, Blockaden und Aktionen des zivilen Ungehorsams. Vor dem Berliner Kanzleramt sammelten sich rund 50 Klimaschützer*innen, um an die Große Koalition zu appellieren, den Klimawandel endlich aufzuhalten. »Rückkehr der Klimakanzlerin?«, stand auf einem Transparent. Bei Sonnenaufgang starteten mehrere Hundert Radler*innen im westlichen Stadtgebiet zu einem Korso und sorgten für Verkehrsbehinderungen. Bis zum Nachmittag kam es in Berlin zu kleineren Straßenblockaden.

Auch in Frankfurt am Main blockierten Schüler*innen von »Fridays for Future« am Morgen mehrere Straßenkreuzungen. Sie stellten sich mit Schildern und Transparenten auf die Fahrbahn. Die Polizei löste den Protest auf, da es zu Auffahrunfällen gekommen war. Ein Sprecher von FFF bedauerte die Zusammenstöße. »Unfälle gehören nicht zu unseren Zielen«, sagte er. Auch in Bremen demonstrierten rund 30 000 Menschen, mehr als 100 blockierten eine Brücke. In Hamburg hatte die Umweltorganisation Robin Wood bereits am Donnerstag den Kühlturm eines Kohlekraftwerks besetzt.

Rund 20 000 Menschen protestierten in Freiburg für mehr Klimaschutz. »Das ist ein eindrucksvolles und starkes Signal der Bürger«, sagte Oberbürgermeister Martin Horn. Auf dem Rostocker Marktplatz versammelten sich bis zum Mittag etwa 250 Klimaschützer*innen. Die Initiative dazu war von der evangelischen Kirchengemeinde ausgegangen.

Für den Freitagnachmittag und Abend hatten linke Gruppen, Bündnisse wie die Berliner Initiative »Ungehorsam für alle« und die Bewegung Extinction Rebellion zu weiteren Straßenblockaden aufgerufen.

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