High Noon im Saarland

Am Sonntag soll in Neunkirchen ein neuer Landesvorstand der LINKEN gewählt werden

Überall im Westen der Republik ist die LINKE im Aufwind. Ausnahme: das Saarland. Ausgerechnet hier, wo die Partei gemessen an der Einwohnerzahl überdurchschnittlich viele Wähler und Genossen gewinnen konnte, befindet sie sich in einer dramatischen Situation - die ausschließlich hausgemacht zu sein scheint.

Am Sonntagnachmittag soll auf einem Parteitag in Neunkirchen ein neuer Landesvorstand gewählt werden. Allein: Bislang ist nicht bekannt, wer überhaupt kandidiert. Der Posten des Landesvorsitzenden ist seit anderthalb Jahren vakant, Stellvertreterin Barbara Spaniol war für »nd« am Donnerstag nicht zu erreichen.

Einer wird zumindest erneut antreten: Landesschatzmeister Manfred Schmidt bewirbt sich wieder um dieses Amt. Im Gespräch mit »nd« sagte er am Donnerstag jedoch zugleich: »Ich wage zu bezweifeln, dass ich wiedergewählt werde.« Zu oft habe er Kollegen im Vorstand »auf die Füße getreten«. Innerhalb des Gremiums gebe es bereits seit acht Jahren zwei Lager, die miteinander im Clinch liegen, sagt Schmidt. Die Auseinandersetzungen hätten aber weniger politische als persönliche Gründe. Die Fronten verliefen zwischen Anhängern des ehemaligen LINKE-Bundesvorsitzenden und heutigen Landtagsfraktionschefs Oskar Lafontaine und solchen des Bundestagsabgeordneten Thomas Lutze. Viele Genossen wollten sich die Arbeit in vergiftetem Klima nicht mehr antun, daher werde es wohl wenig Interesse an Vorstandsposten geben, sagt Schmidt.

Rücktritte gab es seit der letzten Vorstandswahl Ende 2017 einige. So legte Landeschef Jochen Flackus sein Amt im Februar 2018 nieder. Gegen einen der beiden noch amtierenden Stellvertreter, Andreas Neumann, liegt seit Anfang September ein Strafbefehl wegen Titelmissbrauchs vor.

Seit Wochen ist die LINKE Saar nur seinetwegen in den Schlagzeilen. Neumann hat bislang lediglich erklärt, er werde nicht erneut für den Vorstand kandidieren. Seinen Rücktritt hat er bislang nicht erklärt. Vielmehr hat sein Verteidiger gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt, wie die »Saarbrücker Zeitung« am Mittwoch berichtete. Das Amtsgericht Saarlouis hatte gegen ihn eine »Verwarnung mit Strafvorbehalt« verhängt, diese jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Er soll eine »Bewährungsauflage« in Höhe von 1800 Euro zahlen. Eine Verurteilung zu 90 Tagessätzen à 50 Euro behält sich das Gericht vor. Neumann hat laut Staatsanwaltschaft über Jahre einen von der nicht existierenden »St. Paul University and Lancaster University« verliehenen Doktortitel geführt.

Der LINKE-Ortsverband Saarbrücken-Malstatt hat wegen der Vorwürfe am 9. September beschlossen, ein Parteiausschlussverfahren zu beantragen, sobald der Strafbefehl gegen Neumann rechtskräftig sei, wie ein Sprecher mitteilte. Der Landesvize habe »dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Partei« schwer geschadet. Ein Ausschlussverfahren würde sich »über eine längere Zeit hinziehen«, sagte der Sprecher. »Deshalb wäre es uns allen lieber, er würde freiwillig die Partei verlassen.«

Neumann äußerte sich im Juli gegenüber der Regionalpresse »verwundert« über die Vorwürfe, hat aber bis heute nicht zu deren Inhalt Stellung genommen. Aus Protest gegen sein Verhalten in der Sache hatte Patricia Schumann ihr Amt als stellvertretende Landesvorsitzende niedergelegt.

Andreas Neumann ist derweil nicht der erste Politiker der Saar-LINKEN, der mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist: Im Mai wurde der ehemalige Chef der Landesschiedskommission, Nikolaus Staut, wegen Drogenhandels zu drei Jahren Haft verurteilt. Ihm war zur Last gelegt worden, in großem Stil mit Marihuana, Haschisch und Amphetaminen gedealt zu haben.

Von den Vorgängen ist auch der LINKE-Bundesvorstand alarmiert. Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler beklagte im Gespräch mit »nd« zudem die enorme Beitragssäumigkeit der Genossen an der Saar. Derzeit unterstütze die Bundesgeschäftsstelle Mahnverfahren, in deren Verlauf auch die Mitgliederzahlen erheblich nach unten korrigiert werden müssten, so Schindler. Zudem gebe es aufgrund der Querelen und der mangelnden Unterstützung kommunalpolitischen Engagements durch den Landesvorstand viele Parteiaustritte.

Landesschatzmeister Schmidt bestätigt den Einbruch bei den Mitgliederzahlen. Ende 2016 hatte die Saar-LINKE nach eigenen Angaben noch knapp 2400 Mitglieder. Nach Abschluss des Mahnverfahrens werde sich ihre Zahl wohl nur noch auf rund 1800 belaufen, sagt Schmidt. Er beklagt zudem, dass die Beiträge viel zu niedrig seien. 30 bis 40 Prozent der Genossen zahlten nur den Menschen ohne Einkommen vorbehaltenen Mindestbetrag von 1,50 Euro monatlich, die meisten von ihnen auch den nicht einmal regelmäßig.

Bundesgeschäftsführer Schindler wird derweil am Sonntag nach Neunkirchen reisen, um den Genossen ins Gewissen zu reden. Die Saar-LINKE sei für die Partei nicht zuletzt wegen des hohen Wählerpotenzials sehr wichtig. Zudem seien die sozialen Probleme im Saarland gravierend, es gebe also für die LINKE auch in Städten und Gemeinden viel zu tun. Daher sei eine Professionalisierung der Arbeit vor Ort und eine adäquate Betreuung der Mitglieder dringend erforderlich, mahnt Schindler.

Manfred Schmidt glaubt derweil jedoch nicht an ein Ende der Krise des Landesverbandes in absehbarer Zeit. Die Fronten seien verhärtet, es gebe kaum Gesprächsbereitschaft zwischen den Lagern.

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