Auftritt vor 26.000 Menschen: Bernie ist zurück

Die prominenten Abgeordneten Ilhan Omar und Alexandria Ocasio-Cortez sowie Filmemacher Michael Moore bekunden ihre Unterstützung für Sanders

  • Moritz Wichmann, Berlin und Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 5 Min.

Es war die bisher größte Wahlkampfveranstaltung zu den US-Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Der demokratische US-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders hat auf seiner »Bernie ist zurück«-Veranstaltung Wahlkampfhilfe von der aufstrebenden und prominenten Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez bekommen. Ocasio-Cortez sprach am Samstag offiziell ihre Unterstützung für den 78-Jährigen aus. Die 30-Jährige lobte, Sanders setze sich seit Jahrzehnten gegen viele Widerstände und großen politischen Druck für die Arbeiterschaft und für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft ein. Er habe all das bereits getan als es noch nicht populär gewesen sei, so die Politikerin, die Sanders auch »Tio Bernie« (Onkel Bernie) nennt.

Ocasio-Cortez hatte in den vergangenen Monaten in ihrer Partei für Furore gesorgt und war im Januar mit 29 Jahren als jüngste Frau überhaupt ins US-Repräsentantenhaus eingezogen, nachdem sie zuvor als Kellnerin in ihrer Heimatstadt New York gearbeitet hatte. Sie ist zu einer Leitfigur des linken Flügels der Demokraten geworden und ist Teil einer Gruppe von vier prominenten Parlamentarierinnen, die US-Medien die »Squad« nennen.

Laut Sanders` Wahlkampfteam nahmen fast 26.000 Menschen an der Kundgebung im New Yorker Stadtteil Queens Teil. Die Szenerie vor der Queensbridge-Brücke mit den Sozialbauten und einem umweltschädlichen Kraftwerk im Hintergrund war bewusst gewählt. Sanders hat vor kurzem einen Plan für ein neues Sozialwohnungsbauprogramm und zur Stärkung von Mieterrechten vorgelegt und ist Unterstützer des Green New Deal-Projektes, das maßgeblich von Ocasio-Cortez vorangetrieben wird. Statt wie gewohnt zu Yoko Onos »Power to the people« auf die Bühne zu kommen, wählte Sanders dieses Mal den AC/DC Song »Back in Black«.

Ein weiterer Stargast der Kundgebung war der Filmemacher Michael Moore. Er hatte einen Tag zuvor im Fernsehsender MSNBC erklärt, Sanders offiziell zu unterstützen. Er möge Elizabeth Warren, aber: »Bernie versteht, dass der Kapitalismus und besonders die gierige Variante des Kapitalismus, die wir gerade haben, der Kern vieler Probleme im Land ist und er hat kein Problem damit, das beim Namen zu nennen«.

Sanders sei zudem der beste Kandidat, um gegen Trump zu gewinnen, so Moore mit Verweis auf eine Umfrage aus dem Wechselwählerstaat Iowa, laut der alleine Sanders sich mit geringem Vorsprung gegen Trump durchsetzen würde, wenn die Präsidentschaftswahl schon jetzt stattfinden würde.

Am Samstag erzählte Moore dann auf der Kundgebung, wie er schon vor vielen Jahren Wahlkampf für Sanders gemacht habe, bevor dieser auf die Bühne kam. Der habe ihm einmal auf die Frage, was ein demokratischer Sozialist denn sei, nur geantwortet: »Jemand der so ist, wie die Demokratische Partei einmal war«. Moore meinte damit die linkspopulistischen New Deal-Demokraten der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und spielte auf den Konflikt zwischen Progressiven und Establishment in der Partei an.

»Meine Frage an euch ist, seid ihr bereit, auch für jemanden zu kämpfen, den ihr noch nicht einmal kennt? Seid ihr bereit, für die jungen Menschen zu kämpfen, die in Studiengebührenschulden ertrinken? Seid ihr bereit, für eure migrantischen Nachbarn in Angst zu kämpfen, auch wenn ihr selber nicht Migranten seid?«, rief Sanders seiner Zuhörerschaft zu. Wenn diese bereit sei, nicht nur für sich selbst kämpfen, dann »werden wir dieses Land transformieren«, rief Sanders.

Sanders sagte, er wolle für kommende Wahlkampfveranstaltungen gemeinsam mit Ocasio-Cortez durch das Land reisen. Der Auftritt in New York war für ihn der erste, nachdem er kürzlich einen Herzinfarkt erlitten hatte. »Ich bin zurück«, rief der Senator seinen jubelnden Anhängern zu und versuchte, Sorgen über seinen gesundheitlichen Zustand zu zerstreuen. Sanders sagte, er sei »mehr als bereit«, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden und das Land zu verändern.

Das Alter des Senators war auch bei den Besuchern der Kundgebung Thema. Doch ihnen waren die inhaltlichen Positionen des demokratischen Sozialisten aus Vermont wichtiger. »Klar, wir haben eine Gerontokratie«, sagt die 24-jährige Julia Cortez, die in Queens geboren wurde. Ihre Eltern stammen aus Mexiko. »Alte dominieren den Kongress und das Weiße Haus, und ganz Alte stehen bei den Demokraten vorne.« Biden wird nächsten Monat 77, Warren wird nächstes Jahr 71. »Aber einen Besseren als Bernie haben wir nicht«, sagt sie. Sanders, gerade 78 geworden, wäre der älteste Präsident überhaupt. Schmunzelnd zitiert Julia Cortez aus einem gerade erschienen Artikel des sozialistischen Magazins Jacobin. »Besser alt sein und recht haben als jung und ein Arschgesicht sein«, hiess es darin.

In Umfragen unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern hatte Sanders lange an zweiter Stelle hinter dem Favoriten, Ex-US-Vizepräsident Joe Biden, gelegen. Zuletzt fiel Sanders aber deutlich zurück und wurde in Umfragen von der linksliberalen Senatorin Elizabeth Warren überholt, die sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Biden liefert. In den sozialen Netzwerken liefern sich Unterstützer von Sanders und Warren teilweise harte Diskussionen, um die inhaltlichen Positionen der beiden progressiven Kandidaten und um Strategiefragen. Auch dazu diskutierten am Samstag Besucher der Kundgebung, die bei den Democratic Socialists of America aktiv sind.

Die Organisation hatte schon im Frühjahr Sanders ihre Unterstützung ausgesprochen und bei ihrem Kongress im August in einer »Bernie or bust«-Resolution beschlossen, nicht offiziell für einen anderen Demokraten Wahlkampf machen zu wollen, einzelnen Mitgliedern und Ortsgruppen ist das aber freigestellt.

»Warren sagt doch, dass sie ´Kapitalistin bis auf die Knochen´ ist«, sagt ein Mittdreißiger, das könne man doch nicht unterstützen. »Immer die Gesamtlage berücksichtigen«, hält eine Mitvierzigerin dagegen, »um Trump und die Republikaner wegzukriegen, müssen wir ein breites Bündnis eingehen, und mit zugehaltener Nase vielleicht sogar Biden wählen«. mit dpa

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