Schweizer Grüne wollen mitregieren

Ökoparteien legen bei Parlamentswahl in der Eidgenossenschaft zu / Volkspartei bleibt stärkste Kraft

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit einem Plus von mehr als sechs Prozentpunkten und 17 Sitzen im Nationalrat ist die Grüne Partei der Schweiz (GPS) die große Gewinnerin der Parlamentswahl von Sonntag. Nur die Grünliberale Partei (GLP) konnte sich in ähnlicher Weise über ein besseres Abschneiden als 2015 freuen. Sie kam auf 7,1 Prozent, zusammen mit der GPS haben die beiden grünen Parteien die 20-Prozent-Marke geknackt. Alle anderen etablierten Parteien haben dagegen Verluste verbucht. Nicht ohne Grund streben die Grünen nun in die Regierung.

Die GPS-Vorsitzende Regula Rytz forderte am Montag einen Sitz im siebenköpfigen Bundesrat für ihre Partei, die nunmehr mit 28 von 200 Mandaten im Nationalrat vertreten ist. Die aktuellen Regierungsparteien lehnten den Vorstoß postwendend ab. Die Bundesräte werden im Dezember von den beiden Parlamentskammern - dem Nationalrat und dem Ständerat - neu gewählt. Die sogenannte Zauberformel schreibt zwar vor, dass die vier größten Parteien vertreten sein sollen. Dazu gehören jetzt die Grünen, die die kleine Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) überholten. Alle vier Bundesratsparteien - neben der nationalistischen Schweizer Volkspartei (SVP), der rechtsliberalen FDP und der CVP auch die Sozialdemokraten (SP) - verloren Stimmanteile und Sitze. Der Bundesrat hat noch mit je zwei Sitzen der SVP und der FDP eine rechte Mehrheit. Die Parteizugehörigkeit tritt dort aber hinter die Kabinettsdisziplin zurück. Die Bundesräte entscheiden im Konsens.

Rytz räumte selbst ein: »Es wird schwierig sein, bestehende Mitglieder abzuwählen. Wir wären bereit, aber ob wir den Anspruch jetzt erfüllen können, ist offen«, so Rytz gegenüber der »Neuen Zürcher Zeitung«. Seit 1854 wurden erst vier Bundesräte abgewählt, zuletzt 2003. Es ist üblich, dass die sieben Bundesräte selbst über ihren Rücktritt entscheiden. Sie amtieren im Schnitt zehn Jahre.

Die Parteien, die am ehesten einen Sitz verlieren würden, FDP und CVP, hatten ihre Vertreter taktisch geschickt erst 2017 und 2018 ausgewechselt. Die rechten Parteien fordern nun, dass die Grünen ihren Erfolg bei einer weiteren Wahl bestätigen, ehe sie Anspruch auf einen Bundesratssitz erheben können.

Großer Verlierer der Wahl ist die nationalistische SVP. Sie büßt zwölf Sitze im Nationalrat ein, bleibt aber mit 25,6 Prozent der Stimmen (minus 3,8 Prozent) mit Abstand stärkste Partei und kommt auf 53 Mandate. »Wir haben es nicht geschafft, einen Teil unserer Wählerschaft zu mobilisieren«, erklärt Albert Rösti, Vorsitzender der SVP, die Verluste für seine Partei. Rösti führt auch die aktuelle politische Großwetterlage an: »Man hat jetzt ein Jahr lang nur über das Klimathema gesprochen und gesagt, mit der SVP muss es den Bach runter gehen.«

Im diesjährigen Wahlkampf dominierten in der Tat Umweltthemen, während 2015 die Flüchtlingspolitik im Vordergrund gestanden hatte. Experten gehen davon aus, dass die grünen Parteien angesichts der Debatte über Klimaschutz viele junge Wähler mobilisieren konnten, die sonst den Wahlurnen fern geblieben wären. Die Warnungen der SVP vor einer »Klimahysterie« kam dagegen nicht gut an. Allerdings hatte sich der Abstieg der SVP bereits zuvor in kantonalen Abstimmungen und Wahlen abgezeichnet.

Zu den Verlierern gehören auch die Sozialdemokraten. Sie mussten in einzelnen Kantonen teils empfindliche Niederlagen einstecken und insgesamt vier Sitze im Nationalrat abgeben. Die SP wurde mancherorts von den grünen Parteien überflügelt. Diese legten in allen Bezirken zu, sind allerdings in den Schweizer Städten am stärksten - die Grünliberalen besonders im Raum Zürich und in der Westschweiz, die GLP ist in Genf nun sogar führende Kraft.

Ein weitere Modernisierung zeichnet sich beim Frauenanteil im Nationalrat ab. Dieser steigt von 32 auf 42 Prozent. Kritisiert wurde hingegen in sozialen Medien die Wahlbeteiligung. Mit 45,1 Prozent stieg diese unwesentlich. Wieder einmal waren neben den 5,3 Millionen Wahlberechtigten jedoch die Mitbürger mit ausländischem Pass - immerhin zwei Millionen Menschen - von der Abstimmung ausgeschlossen. So hat gerade einmal ein Anteil von knapp 30 Prozent der Einwohner an der Schweizer Parlamentswahl teilgenommen. Mit Agenturen Personalie Seite 8

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