nd-aktuell.de / 22.10.2019 / Berlin / Seite 10

Viel Solidarität mit angeklagten Studierenden

Die Humboldt-Universität steht wegen ihres Festhaltens am Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs in der Kritik

Lola Zeller

Der »Soli-Flohmarkt« am Sonntagnachmittag in der Braunschweiger Straße in Neukölln ist gut besucht. Auf Tischen, Bänken und Kleiderstangen werden allerhand Dinge verkauft, die Studierende der Humboldt-Universität zuvor gesammelt haben. An der Wand hängt ein großes Transparent mit der Aufschrift »Straffreiheit für alle Besetzer*innen«. Mit den Einnahmen des Flohmarkts sollen die drei Studierenden unterstützt werden, die an diesem Donnerstag vor Gericht stehen und denen hohe Geldstrafen drohen. Verklagt werden sie vom Präsidium der Humboldt-Universität (HU), das ihnen Hausfriedensbruch vorwirft.

Der Anlass für das Verfahren liegt schon eine ganze Weile zurück: Anfang 2017 hatten Studierende die Räume des Instituts für Sozialwissenschaften der HU mehrere Wochen lang besetzt, um gegen die Entlassung des linken Stadtsoziologen Andrej Holm zu protestieren. Für den Studenten Benni Walther, der den Flohmarkt besucht, ist es wichtig, sich für die Betroffenen einzusetzen. »Wir müssen mit den Studierenden solidarisch sein, die sich politisch an der Uni engagiert haben. Diese massiven Androhungen vonseiten der HU, das geht gar nicht.«

Auch die LandesAstenKonferenz (LAK) zeigt sich solidarisch mit den angeklagten Studierenden und verurteilt das Vorgehen des HU-Präsidiums, an dem Strafverfahren festzuhalten. Das sei »reine Einschüchterung als Antwort auf berechtigte Forderungen«, findet Robert Jung aus der Geschäftsstelle der LAK. Jung meint damit nicht nur die Forderung der Besetzer nach einer Wiedereinstellung Andrej Holms - welche letzten Endes erfüllt wurde -, sondern auch die umfassenden Forderungen nach einer Demokratisierung der Hochschulen. Denn was die Studierenden damals vor allem erzürnt hatte, war die Entlassung Holms »über die Köpfe der Studierenden hinweg«. Bei der HU liegen die Personalbefugnisse beim Präsidium, und es gibt dabei keinerlei Mitbestimmungsrecht für Studierende. »Dieser Zustand ist symptomatisch für ein starkes Demokratiedefizit an den Universitäten«, so Jung.

Die LAK unterstützt generell Besetzungen als legitime Form des studentischen Protests. »Eine Besetzung kann eine außerordentliche Erfahrung von Gemeinschaft und Freiheit sein«, sagt Jung. Die Studierenden hätten sich während der Besetzung selbstbestimmt in den Vollversammlungen und Arbeitsgruppen sowie bei der Gestaltung des Veranstaltungsprogramms und der Räumlichkeiten eingebracht. »Das war ein Blick in die Utopie, wie das Studium oder auch die Gesellschaft funktionieren könnte, wenn sie nicht so strukturiert wäre, wie sie es derzeit ist«, so Jung.

Im Hochschulalltag entstehe bei Studierenden, die sich aktiv einbringen wollen, hingegen große Frustration, weil es keine echten Mitbestimmungsmöglichkeiten gebe. Umso wichtiger seien deshalb die Forderungen nach Freiräumen und Mitgestaltungsmöglichkeiten sowie die Entkriminalisierung von studentischem Protest. »Die Hochschule sollte einen Diskurs auf Augenhöhe zulassen und Protest auch annehmen«, sagt Jung.

Auch der Fachschaftsrat Sozialwissenschaften der HU äußert sich solidarisch. »Wir fordern das Präsidium auf, den Strafantrag zurückzuziehen«, heißt es in einer Pressemitteilung. »Falls die Universität weiter an ihrem Strafantrag festhält, werden wir den Prozess beobachten und rufen dazu auf, die angeklagten Personen durch Anwesenheit zu unterstützen.«

Auf Anfrage teilte HU-Sprecher Hans-Christoph Keller mit, man äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Strafverfahren. Er verweist aber darauf, dass die Besetzung ein rechtswidriger Vorgang gewesen sei und sowohl zu Sachbeschädigungen als auch zu Einschränkungen in Lehre und Forschung geführt habe.